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23.06.12 / Charmeur umgarnt Mexikaner / Das aufstrebende Schwellenland steht offenbar vor einem Regierungswechsel

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 25-12 vom 23. Juni 2012

Charmeur umgarnt Mexikaner
Das aufstrebende Schwellenland steht offenbar vor einem Regierungswechsel

Die USA gehen nicht allein durch ein dramatisches Wahljahr. Das Nachbarland Mexiko wählt ebenfalls seinen Präsidenten. Felipe Calderons Amtszeit läuft ab, und am 1. Juli fällen die Wähler die mit enormer Spannung erwartete Entscheidung über einen möglichen Machtwechsel in Mexico-Stadt. Weit voran in allen Umfragen liegt der sogenannte „Pretty Boy“, Enrique Pena Nieto (47), von der sozialistischen Partido Revolucionario Institucional (PRI). Über 70 Jahre hatte die PRI das Land autokratisch regiert, bis sie 2000 in einem sensationellen Sieg von Vincente Fox von der christlich-konservativen Partido Acción Nacional (PAN) abgelöst wurde. Auf Fox folgte 2006 Calderon, ebenfalls PAN. Dieser soll nun durch den „Pretty Boy“ abgelöst werden. Nieto, Ex-Gouverneur des Bundesstaates Mexiko, hat in seinem Wahlkampf alles getan, um der PRI ein neues Gesicht fernab jeglicher Korruption zu verleihen. Viele fürchten, dass die PRI, wie einst, wieder heimlich mit den Drogen-Kartellen verhandelt und Frieden für Geld erkauft, zumal erst vor kurzem ein prominenter General aus Nietos Umfeld wegen enger Kontakte zum organisierten Verbrechen verhaftet wurde.

„Nieto ist ein Wolf im Schafspelz“, behaupten seine Kritiker, die sich vor allem unter Intellektuellen und Unabhängigen befinden. Sie sehen in den Großkundgebungen, in denen er umjubelt wird, eine Rückkehr zur „perfekten Diktatur“, wie der Schriftsteller Mario Vargas Lhosa einst die PRI nannte, weil sie nicht durch demokratischen Dialog, sondern durch Mobilisierung der Massen herrschte. Die Medien sind zudem in PRI-Hand. Studenten protestierten bereits in lautstarken Demonstrationen vor dem Gebäude der mächtigen Fernsehstation Televisa in Mexiko-Stadt gegen einen „Fait Accompli“, einen abgemachten Sieg von Nieto.

Doch viele Mexikaner sehen nicht nur die Gespenster der Vergangenheit. Sie sehen, entnervt von einem missglückten Drogen-Krieg mit über 50000 Toten, in dem dynamischen, weltgewandten, routinierten Politiker Nieto den am besten geeigneten Nachfolger Calderons. Jetzt hat sich zum Entsetzen der PAN sogar Vincente Fox, der einst die PRI entthronte, hinter Nieto gestellt. Auch weil Nietos Konkurrenten neben ihm verblassen. Da ist die PAN-Kandidatin Josefina Vasquez-Mota (51), ironisch nach der bekannten Puppe „Quinceanera Doll“ genannt, weil sie immer lächelt. Die ehemalige Erziehungsministerin unter Calderon zielt mit dem Motto „Josefina Differente“ voll auf die weibliche Wählerschaft ab. Sie ist selbst Mutter von drei Töchtern und eine Kämpferin für Frauenrechte wie auch für die Belange von Familien. Doch Kritiker bezweifeln, dass sie das aufstrebende Schwellenland Mexiko in der Welt adäquat vertreten könnte.

Der dritte und plötzlich aufholende Konkurrent im Rennen um die Präsidentschaft ist Andres Manuel Obrador, der liberale, links von der Mitte stehende frühere Bürgermeister von Mexiko-Stadt und Angehöriger der Partido de la Revolución Democrática.

Der Wahlausgang ist nicht nur für die Bürger, er ist auch für die Welt von Bedeutung. Die Sensationsmeldungen von Gräueltaten der Drogen-Kartelle und der Flut illegaler Einwanderer in die USA werden dem Land nicht gerecht. Mexiko, das größte Land Lateinamerikas, das fünfeinhalb Mal so groß ist wie die Bundesrepublik Deutschland, hatte seit der Rezession von 2009 einen erstaunlichen Aufstieg zu verzeichnen. Die Wirtschaft wuchs um über fünf Prozent. Der Peso ist stark. Stabile Preise fördern den Konsum. Mexiko hat die größte Börse nach Brasilien in Lateinamerika mit einem Marktkapital von 749 Milliarden US-Dollar. Seine Zentralbank hortet beachtliche Devisenüberschüsse. Import und Export sind ziemlich ausgeglichen, auch dank Freihandelsabkommen mit über 40 Ländern sowie, dominierend, in der Nordamerikanischen Freihandelszone (Nafta) mit den USA und Kanada (90 Prozent). Eine stetig wachsende Mittelklasse drängt die Armutsgrenze (immer noch 35 Prozent) zurück. Die Arbeitslosigkeit ist auf 6,5 Prozent gefallen. Und nicht zuletzt deshalb ist die große Zahl illegaler Auswanderer in die USA stark gesunken. Allmählich erscheinen die Chancen im eigenen Land besser als in den problembeladenen USA. Vor allem die Tourismusbranche wächst trotz aller Reisewarnungen. Keine schlechten Aussichten. Einzige Furcht: Eine neue Rezession in den USA. „Ja, ja“, frohlockte der Wirtschafts-Professor Jorge Gonzalez kürzlich beim monatlichen Frühstück des „Latin America Caribean Forum“: „Früher haben die Amerikaner mit den Mexikanern wie Eltern zu ihren Kindern gesprochen. Jetzt ist es umgekehrt. Und nun stelle man sich erst vor, wir hätten keine Drogen-Dealer zu bekämpfen!“ Liselotte Millauer


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