18.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
23.06.12 / Inflation wird nicht die Rettung bringen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 25-12 vom 23. Juni 2012

Moment mal!
Inflation wird nicht die Rettung bringen
von Klaus Rainer Röhl

Danzig, die alte deutsche Stadt an der Ostsee, gegründet 1240, gefiel sogar Angela Merkel bei ihrem letzten Fußballbesuch ausnehmend. Meine Großeltern besaßen in der Innenstadt von Danzig, in einer der besten Wohngegenden, dort, wo die Große Krämergasse auf den Langen Markt trifft, also direkt auf den Artusbrunnen zulaufend, einen der schönsten Plätze der Welt, drei nach Art des Barock schmale Häuser als Wohn- und Geschäftsräume. Die Gegend ist dort so teuer geworden, dass die polnischen Neureichen, die nach Vertreibung der Kommunisten aus ihren Büros die alten, nach dem Krieg wieder aufgebauten Häuser mit den Barockfassaden bezogen hatten, diese heute kaum noch bezahlen können. Keine unangenehme Vorstellung, Erbe solcher schönen alten Häuser zu sein, die vielleicht doch irgendwann nach europäischem Recht den rechtmäßigen Erben zugesprochen werden könnten, aber Fehlanzeige. Die Häuser in der Großen Krämergasse gehörten am Ende gar nicht mehr meinen Großeltern. Sie verloren sie schuldlos oder schuldig durch den von allen Völkern gleichermaßen gewünschten Ersten Weltkrieg. Mein Großvater hatte wie alle anderen deutsche Kriegsanleihen gezeichnet, meine Großmutter ihren Schmuck („Gold gab ich für Eisen“) noch hinzugefügt, aber der Krieg ging, grandios, wie er angefangen hatte, verloren, und am Ende hätte Deutschland noch fast eine kommunistische Regierung bekommen, wenn nicht die Genossen von der SPD das mit Hilfe der Freikorps das in letzter Minute verhindert hätten.

Das blieb uns erspart, aber nicht der dann ausgehandelte, vielmehr diktierte Versailler Vertrag, im Volk nicht zu Unrecht Schandvertrag genannt. Er bürdete Deutschland solche Riesenzahlungen (Reparationen) auf, die nur durch Sachleistungen abgegolten werden konnten. Fast die gesamte Produktivität und das Volksvermögen gingen dabei drauf und für die Menschen blieb sozusagen nichts übrig, die zahlten den verlorenen Krieg mit Kindersterblichkeit, Arbeitslosigkeit und Elend, ohne es von einem Tag auf den anderen zu merken. Zwar behielt man die Reichsmark, aber es gab am Ende fast nichts mehr dafür zu kaufen. Die Notenpressen druckten immer mehr Geldscheine mit immer höheren Nennwerten, bis am Ende, unsere Enkel sehen es nur im Schulfernsehen, ein Laib Brot eine Milliarde Reichsmark kostete.

Das war selbst den Alliierten zu viel. Es wurden ein paar der härtesten Abgaben gemildert, Fristen gestreckt und Reichsminister Hjalmar Schacht führte einen rigorose Währungsreform durch (Schacht, der hat die Rentenmark gemacht!). Und es ging erst mal aufwärts. Doch das Versailler Diktat bestand weiter und dann kam der große, in den USA ausgelöste Börsenkrach, (der viel Ähnlichkeit hatte mit der 2008 von Lehman Brothers ausgelösten kriminellen Spekulations-Krise) und erneut brach Massenverelendung größten Ausmaßes über unsere Vorfahren herein. Infolgedessen drohte noch einmal eine kommunistische Machtübernahme. Das war, wie wir wissen, die Stunde Hitlers – mit allen ihren Folgen. In seinem ersten Kabinett war Schacht Finanzminister. Der Autor dieser Zeilen hat darüber seine Doktorarbeit geschrieben*.

Das kollektive Gedächtnis der Deutschen hat die Erinnerung an das Chaos der Inflation bewahrt. Und deswegen werden wir verdammt hellhörig, wenn unsere von Leithammeln gelenkten Massenmedien ab und an mal jemand zu Wort kommen lassen, der frisch oder frisch-fröhlich verkündet, etwas Inflation sei weiter kein Beinbruch. Zumal um uns herum Staatsmänner und ganze Staaten eine Politik betreiben, die nur durch eine immer schneller laufende Gelddruckmaschine angetrieben werden kann. Wieder ist eine Inflation in Aussicht, und wieder sind die Deutschen schuld daran. Nicht weil sie einen Krieg verloren haben, sondern weil einer ihrer Spitzenpolitiker, der lange Jahre verdienstvolle Bundeskanzler Helmut Kohl, eine Schnapsidee hatte: den Euro. Dies sage nicht ich, sondern einer, der es von Berufs wegen weiß, war er doch Mitglied des Bundesbankpräsidiums: Thilo Sarrazin. „Der Euro war keine gute Idee.“ Kohls phantastischer, aber leider falscher Plan ging aus von seinen Erfahrungen mit der deutschen Einheit. Gibt man den Deutschen die D-Mark, kommt die Einheit sozusagen von selbst. Was mit einigen Verzögerungen denn auch eintrat, vor allem aber, weil die Deutschen ein Volk waren, das, von den Besatzungsmächten getrennt, sich nach seiner Wiedervereinigung sehnte. Die Hoffnung, das würde bei Europa genauso glücken, war, wie wir gesehen haben, durch nichts begründet, da niemand sich nach einer Einheit sehnte und es weder geschichtliche noch volkswirtschaftliche Voraussetzungen dafür gab.

Überaus unterschiedlich entwickelt sind die Leistungsfähigkeit der Volkswirtschaften und der Leistungswille ihrer Bewohner in Europa. Aber die gute D-Mark und ihre Kaufkraft bewunderten alle und horteten sie in ihren Nähkästchen und Geheimschubladen wie früher von Bukarest bis Tirana den Dollar. Und als ihnen auf deutsches Betreiben hin die neue Währung als eine quasi neue D-Mark förmlich aufgedrängt wurde und der Euro seine Kaufkraft nicht nur behielt, sondern sogar noch steigerte, glaubte jedermann, er sei nun geradewegs im Schlaraffenland angekommen und kaufte, was das Zeug hielt. Auf Kredit, und selbst der wurde ihm förmlich aufgedrängt. Ohne dass irgendjemand der staatlichen Einheit Europas oder einer leistungsfähigen Wirtschaft auch nur einen Schritt näher gekommen wäre, wozu auch, das Geld floss ja auch so, und der Warenfluss funktionierte grenzüberschreitend.

Doch dann kam die erste Krise, von Lehman und seinen „Brüdern“ in den USA ausgelöst, wo eine halbe Nation Häuser gekauft hatte, die sie sich nicht leisten konnte, und das ganze Schneeballsystem, bei dem auf wundersame Weise Wohlstand produziert wurde, fiel in sich zusammen, und wie immer bei einem solchen Verfahren bissen den letzten die Hunde.

Und nun gibt es zwei Wege, um der Krise in Europa zu begegnen: Wieder sparen und die Währung stabilisieren oder weiter auf Pump Wohlstand produzieren, das heißt – Geld drucken. Wie wir aus unserer Geschichte wissen, steht am Ende der Gelddruckerei die Inflation und somit die Verelendung zuerst der Rentner, der Geringverdiener und der kinderreichen Familien und am Ende des ganzen Volkes. Die meisten Deutschen hängen immer noch der vielleicht altmodischen Gewohnheit an, dass man nur so viel Geld ausgeben kann, wie man vorher erarbeitet hat. Man möge uns diese Zaghaftigkeit unter Ansehung der schweren kollektiven Erfahrungen bitte verzeihen, und nur zur Kenntnis nehmen, dass wir nicht mehr zahlen wollen, weder mit Euro-Bonds noch mit einer anderen verschleierten Schulden-Union. Vielleicht können wir das auf andere Weise wieder gutmachen, indem wir als einziges Land in Europa unsere moderne Wirtschaft durch Windmühlen und Sonnensammler mit Energie versorgen wollen, also für immer gute und verlässliche Kunden für Atomkraftwerke im Ausland und russische Gaskonzerne bleiben werden, also mit anderen Worten, schon ein Übermaß an Selbstkasteiung geleistet haben. Inflation ist geil, meinen wohl der frisch gewählte französische Präsident François Hollande und viele andere Politiker in Europa. Finden wir aber gar nicht. Der Euro war bereits Strafe genug.

*Klaus Rainer Röhl, „Die letzten Tage der Republik von Weimar“, München 2006


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabobestellen Registrieren