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23.06.12 / Zank vor dem Kind / Nimm die Menschen, wie sie sind – es gibt keine anderen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 25-12 vom 23. Juni 2012

Zank vor dem Kind
Nimm die Menschen, wie sie sind – es gibt keine anderen

Herrlichster Sommer, der Himmel eine zartblaue Fläche mit leuchtend weißen, langsam dahinschwimmenden Wattetupfen, ein Wetter, um die Eltern zu treffen. So dachte mein Sohn wohl und packte seine kleine Familie ins Auto, um uns mit einem Besuch zu beglücken.

Eine Stunde später saßen wir zusammen in unserem grünen Reich, tranken nachträglich den Geburtstagssekt aus und unterhielten uns. Nikolai, der Neunjährige, schaukelte selbstvergessen bis in den Himmel, bekam aber alles mit, was wir redeten, leider auch unseren Streit, den Wortwechsel zwischen Mutter und Sohn. Wie immer ging es um Kleinigkeiten. Als es mir zu viel wurde, lief ich ins Haus, setzte mich an meinen Computer und hämmerte irgendwelchen Unsinn auf die Tasten. Das sah ganz nach einer Flucht aus, oh weh!

Mein Enkel Niko kam mir bald nach. Traurig sah er mich an. „Oma, warum zankt ihr euch?“ Ich nahm ihn kurz in den Arm. „Du hast Recht, Kleiner, wir Großen sind manchmal ziemlich dumm. Ich komme jetzt wieder in den Garten!“ „Ehrlich?“ Er stob davon. Nach ein paar Minuten überwand ich mich und setzte mich wieder zu meiner Familie.

Und da wir Menschen unbelehrbar sind, begann unser Streit erneut. Ein Wort gab das andere. Mir standen schon die Tränen gefährlich hoch im Hals. Da stellte sich der Junge – die Hände in die Seiten gestützt – mit drohendem Blick zwischen uns auf, blitzte seinen Vater an und forderte:

„Papa, jetzt entschuldigst du dich bei der Oma und dann ist’s gut, okay!“ Unser Sohn stutzte. Sich entschuldigen? Auch noch bei der Mutter? Die war doch immer schnell wieder gut. Seine Gedanken standen ihm auf der Stirn geschrieben. Ich sah in die entsetzten Augen meines Enkels, sprang auf und sagte: „Nun, wenn dein Papa das nicht kann, mache ich es eben!“

Da stand auch er auf, der große Junge, wir gingen aufeinander zu und umarmten uns. Ich umarmte dann auch den kleinen Friedensengel. „Siehst du, Schatz, nun vertragen wir uns wieder!“

Er atmete auf, nickte und ging wieder zur Schaukel. Beim Hin- und Herschwingen sang er vor sich hin, und ich dachte: „Wenn doch auch bei uns Erwachsenen alles so schnell wieder gut wäre!“ Aber liegt es nicht doch meist bei uns selbst, in Frieden mit den anderen zu leben? Neulich las ich einen wunderbaren Spruch; er stammt vom ‚alten Adenauer‘ und lautet: „Nimm die Menschen, wie sie sind; es gibt keine anderen!“

Beim Abschied bekam ich einen dicken Kuss von meinem kleinen Enkel, und auch einen von meinem Sohn. Ich lächelte. Na bitte, geht doch! Gabriele Lins


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