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23.06.12 / Mehr als nur ein Schiff / »Titanic« erfüllt Funktion

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 25-12 vom 23. Juni 2012

Mehr als nur ein Schiff
»Titanic« erfüllt Funktion

Einer der großen Mythen der Neuzeit ist der Untergang der „R.M.S. Titanic“ am 15. April 1912 nachts um 2.30 Uhr nach der Kollision mit einem Eisberg südöstlich von Neufundland. Bereits Wochen später wurden in den USA und in Berlin die ersten Filme über den Untergang der „Titanic“ gedreht. Es kam das geflügelte Wort vom „größten Schiffsunglück aller Zeiten“ in Umlauf, was bekanntlich nicht den Tatsachen entspricht, auch wenn von den etwa 1290 Passagieren und 920 Besatzungsmitgliedern nur 713 Personen überlebten. Die im Laufe von 100 Jahren veröffentlichte Literatur über das Unglücksschiff ist unüberschaubar. Die ganze Geschichte der „Titanic“ hat die Kulturwissenschaftlerin und Journalistin Linda Maria Koldau in ihrem spannenden, mit zahlreichen Fotos und Plänen ausgestatteten Buch „,Titanic‘. Das Schiff. Der Untergang. Die Legenden“ erneut aufgerollt.

Koldau beschäftigt sich zunächst mit häufig wiederholten, aber falschen Behauptungen wie derjenigen, die Reederei White Star Line habe die „Titanic“ im Vorwege als „unsinkbar“ angepriesen. Weiter nimmt sie die offene Frage auf, warum gerade dieses Schiff derart mystifiziert wurde. Dabei kam die Handlungsweise einzelner Passagiere und Besatzungsmitglieder der Legendenbildung zugute; auf diese Personen wurden Träume und quasi-religiöse Bedürfnisse projiziert, indem man sie entweder als Helden verherrlicht oder als Feiglinge und Bösewichte abgestempelt hat. Auf die eine oder andere Weise verknüpft mit dem verhängnisvollen Verlauf der Jungfernfahrt der „Titanic“ war die Konkurrenzsituation der internationalen Reedereien, die im Bereich der Übersee-Liniendienste zwischen Europa und den USA herrschte. Um 1900 deckten die auf der Nordatlantikroute verkehrenden internationalen Überseedampfer verschiedene Funktionen ab. Als Passagier- und Postschiffe (R.M.S. bedeutet „Royal Mail Ship“) legten sie die 2970 Seemeilen lange Strecke in knapp einer Woche zurück. Die Schiffsreisen galten als gesellschaftliches Ereignis.

1985 wurde der Traum eines Wracksuchers wahr: Der US-Meeresforscher Robert Ballard ortete die beiden

Wrackteile der „Titanic“ in 3800 Metern Tiefe. Seitdem wurden mehrmals Filmaufnahmen in der zerfallenden Schiffsruine gemacht. David Camerons „Titanic“-Film von 1997 ist der erfolgreichste Film aller Zeiten. Es sei ein Meisterwerk, meint Koldau, aber eben doch auch Kitsch. In diesem Zusammenhang ist zu der Diskussion über den fortdauernden „Titanic“-Mythos noch der geschäftliche Aspekt hinzuzufügen; denn wo Betroffenheit und Faszination einmal eine feste Verbindung eingegangen sind, ist es nicht allzu schwer, das Rad immer weiter zu drehen. Dagmar Jestrzemski

Linda Maria Koldau: „,Titanic‘. Das Schiff. Der Untergang. Die Legenden“, Verlag C.H. Beck, München 2012, geb., 303 Seiten, 19,95 Euro


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