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30.06.12 / Was auf Moskau folgte / Autoren-Duo beschreibt die Entwicklung der 15 früheren Sowjetrepubliken

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 26-12 vom 30. Juni 2012

Was auf Moskau folgte
Autoren-Duo beschreibt die Entwicklung der 15 früheren Sowjetrepubliken

Die Menschen in den Staaten der ehemaligen Sow-jetunion haben in den vergangenen Jahren für uns im Westen kaum vorstellbare gesellschaftliche Umbrüche erlebt. Die Folgen davon sind ganz widersprüchlich, zum einen Aufbruchstimmung und neuer, teilweise unvorstellbarer Reichtum, zum anderen vielerorts Depression, neue und bittere Armut, Korruption, Arbeitslosigkeit und Sowjetnostalgie. Das ist das Fazit der zwei Autoren – ein Schweizer Journalist und ein in der DDR aufgewachsener, heute für die Konrad-Adenauer-Stiftung in Taschkent tätiger Historiker – des Buches „Von der Sowjetunion in die Unabhängigkeit. Eine Reise durch die 15 früheren Sowjetrepuliken“. Seit Jahren bereisen Thomas Kunze und Thomas Vogel die früheren Sowjetrepubliken und legen jetzt teils mittels persönlicher Begegnungen, teils in historisch-politischer Reportage ein ebenso anschauliches wie lebendiges Buch über diese von Königsberg bis Wladiwostok, vom Nordmeer bis in die mittelasiatischen Steppen und zum Kaukasus reichende Region vor.

Die Umwälzungen in Russland selbst, die mutige Erhebung der drei baltischen Völker, die Abspaltung der drei Kaukasus-Staaten von Russland und die teilweise nur zögerliche Emanzipation der mittelasiatischen Länder von Moskau sind für aufmerksame Zeitgenossen noch immer in guter Erinnerung. Die beiden Autoren sind ihren Berichten zufolge seit der Wende von 1989 immer wieder in die einzelnen Länder gefahren und haben, aufbauend auf vielen persönlichen Bekanntschaften, die gravierenden politischen und gesellschaftlichen Veränderungen oft unmittelbar erlebt.

Ihr Fazit fällt ganz unterschiedlich aus. Die drei baltischen Staaten sehen sie trotz mancher innerer Belastungen (insbesondere Lettland und Estland wegen der großen russischen Minderheit) auf gutem Weg, nach und nach westeuropäischen Standard zu erreichen. Für Weißrussland und die Ukraine sehen sie vor allem dann günstigere Entwicklungschancen, wenn beide sich nicht mehr zwischen Europäischer Union und Russland eingeengt fühlen, also wenn sie um sich herum gleichsam ein politisch ganzes Europa fühlen könnten.

Die Darstellung Russlands hätte man sich doch etwas ausführlicher gewünscht; die Russische Föderation, wie das Land heute offiziell heißt, ist trotz der „Amputationen“ seit 1990 mit seinen mehr als 17 Millionen Quadratkilometern Fläche und 140 Millionen Einwohnern (pessimistische Prognosen sehen allerdings in 100 Jahren nur noch etwa 62 Millionen!) noch immer dreimal so groß wie alle anderen 14 Staaten zusammen. Die Probleme sind hier aus vielen Gründen ungleich größer, die Gefahren von Fehlentwicklungen viel risikoreicher, die Chancen günstiger Entwicklungen aber ebenfalls aussichtsreicher; das alles kommt mit Blick auf Industrialisierung, Militär und Ethnien etwas zu kurz.

Die drei Kaukasusrepubliken sehen Kunze und Vogel durch Nationalitätenkonflikte und unkluge Politik erheblich gelähmt; allerdings sind hier auch Probleme, die, will man nicht diktatorisch-terroristisch vorgehen wie Stalin, immens sind: 50 Sprachen zählt man, allein das kleine Georgien hat 30 Volksgruppen. Düster fällt das Urteil (von Kasachstan, dessen milde Diktatur durch den Erdölboom gedämpft wird, abgesehen) über die mittelasiatischen „Stan-Länder“ aus. Hier erlebt eine teils belustigte, teils schockierte Welt einen Personenkult von teilweise groteskem Ausmaß, sieht bittere Armut fast überall. Man ist Zeuge kriegerischer Nationalitätenkonflikte, die zum Beispiel Kirgistan möglicherweise schon bald auseinander fallen lassen, und blickt auf einen immer radikaleren Islamismus. Wegen der immer größeren Wasserknappheit wachsen auch die zwischenstaatlichen Spannungen.

Für alle Staaten sind präzise Angaben zu Größe, Einwohnerzahl, Bruttosozialprodukt und zum jeweiligen politischen System einschließlich der Namen aller bisherigen Regenten beigegeben. Etwas mehr historische Angaben – gerade bei den Kaukasus- und innerasiatischen Staaten – wären zum Verständnis gelegentlich hilfreich gewesen, aber das hätte vielleicht den vorgegebenen Rahmen dieses sonst sehr informativen Bandes gesprengt. Dirk Klose

Thomas Kunze, Thomas Vogel: „Von der Sowjetunion in die Unabhängigkeit. Eine Reise durch die 15 früheren Sowjetrepuliken“, Ch. Links Verlag, Berlin 2011, 285 Seiten, 19,90 Euro


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