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07.07.12 / Italien auf Anti-Euro-Kurs / Ministerpräsident Mario Monti könnte innenpolitisch über seinen Erfolg beim Währungs-Gipfel stolpern

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 27-12 vom 07. Juli 2012

Italien auf Anti-Euro-Kurs
Ministerpräsident Mario Monti könnte innenpolitisch über seinen Erfolg beim Währungs-Gipfel stolpern

Mithilfe einer unverblümten Erpressung hat Italiens Ministerpräsident Mario Monti beim letzten EU-Gipfel einen Sieg über die deutsche Bundeskanzlerin davongetragen. Trotz dieses Erfolges ist in Italien das Rennen um seine Nachfolge entbrannt. Doch Angela Merkel dürfte das keine wahre Genugtuung verschaffen.

Die potenziellen Nachfolger werden Merkel noch weitaus mehr Probleme bescheren als Monti. Spätestens der EU-Gipfel am 29. Juni dürfte ihr klar gemacht haben, wie die Euro-Rettungspolitik funktioniert – nicht diejenigen, welche die Rettungsgelder aufbringen, bestimmen die Regeln. Das Sagen haben diejenigen mit den größten Schuldenbergen. Sie drohen einfach, alle anderen mit in den Abgrund zu ziehen. Merkel hätte freilich gewarnt sein können: Bereits vor dem Gipfeltreffen geisterte durch die italienische Presse die Meldung, Monti habe damit gedroht, zurückzutreten, falls sich Deutschland weiter Euro-Bonds, also der Schulden-Vergemeinschaftung, verweigert. So absurd die Rück­trittsdrohung des Italieners aus Sicht der meisten deutschen Steuerzahler auch klingt, für Euro-Befürworter war es tatsächlich eine handfeste Drohung: Monti steht in Italien zunehmend mit dem Rücken zur Wand.

Beste Chancen, seine Nachfolge anzutreten, haben Politiker, die den Euro ablehnen. Wieder bemerkbar macht sich etwa Silvio Berlusconi. Schien es zunächst, der 75-Jährige habe sich für den Ruhestand entschieden, wird er nun wieder aktiv. In Interviews ist von ihm zu hören, ein Austritt Italiens aus dem Euro wäre keine Blasphemie, alternativ solle doch Deutschland die Euro-Zone verlassen. Aus der Sicht politischer Beobachter sind das typische Testballons Berlusconis, der sich anschaut, wie derartige Aussagen bei den Wählern ankommen. Frischen Aufwind könnte seine Partei, die Popolo della Libertà (PdL), tatsächlich gebrauchen. Die Unterstützung für den parteilosen Monti im Parlament hat die PdL viel an potenziellen Wählerstimmen gekostet. Es ist nicht einmal wahrscheinlich, dass Berlusconi die Nachfolge Montis antreten will. Aus den Reihen seiner Partei ist inzwischen folgendes Gedankenspiel für die Nach-Monti-Ärä bekannt geworden: Die PdL stützt einen linken Kandidaten, damit dieser Premierminister werden kann, im Gegenzug erhält Berlus­coni das Amt des Staatspräsidenten. Über die Tolerierung im Parlament könnte Berlusconi indirekt auf die Regierungsarbeit Einfluss nehmen. Der Plan hätte noch einen Nebeneffekt: juristische Immunität für Berlusconi, gegen den wieder einmal Verfahren laufen. Noch gefährlicher als Berlusconi könnte für Monti allerdings ein anderer Politiker werden, den außerhalb Italiens bisher kaum jemand kennt, Beppe Grillo. Seine Partei „Movimento 5 Stelle“ (Bewegung fünf Sterne) ist erst seit drei Jahren aktiv, war bei den Kommunalwahlen im Frühjahr allerdings der Überraschungssieger – ohne Werbung und Medienunterstützung.

Bei aktuellen Umfragen sind die „Grillini“ mittlerweile auf dem Sprung, zur stärksten Parei zu werden. Grillo selbst war bis in die 80er Jahre ein Fernsehstar, bevor er aus politischen Gründen vom Bildschirm verschwand. Gespeist wird Grillos Bewegung durch die Unzufriedenheit vieler Italiener mit Monti. Statt Reformen voranzubringen, hat der sich mittlerweile mehr auf das rabiate Eintreiben von Steuern verlegt. Der Versuch, die traditionelle Laxheit in Steuerangelegenheiten abzustellen, verwandelt Italien immer mehr in einen Überwachungsstaat. Ähnlich wie Berlusconi hat auch Grillo ein bisheriges Tabu auf die Tagesordnung der italienischen Politik gesetzt: Italiens Austritt aus dem Euro, zusätzlich noch die Annulierung aller Schulden. Ein großes Risiko gehen die beiden mit ihrem Anti-Euro-Kurs nicht ein. In keinem anderen Land ist die Zustimmung zur Gemeinschaftswährung so gering wie in Italien. Bei einer Umfrage des PEW Research Instiuts gaben nur 30 Prozent der befragten Italiener an, der Euro habe für sie Positives gebracht. Ähnlich sieht es bei der italienischen Industrie aus, die seit der Euro-Einführung massiv an Wettbewerbsfähigkeit eingebüßt hat. „Wir stehen am Abgrund“ war erst unlängst vom Unternehmerverband Confindustria zu hören.

Zumindest die Ausgangsbedingungen für einen Neustart mit einer neuen Lira wären für Italien nicht einmal ungünstig: Mit 2450 Tonnen besitzt Italien die drittgrößten nationalen Goldreserven der Welt. Den italienischen Staatsschulden in Höhe von rund zwei Billionen Euro stehen Beteiligungen und Immobilienbesitz des Staates im geschätzten Wert von 1,815 Billionen Euro gegenüber.

Dass ein finnischer Vorschlag nach Einführung von Anleihen, die mit Staatsbesitz als Pfand unterlegt sind, schnell wieder in der Versenkung verschwand, ist angesichts der geschickten Verhandlungsführung Montis kaum verwunderlich. Sein Rüstzeug dürfte der italienische Regierungschef während seiner Zeit bei Goldman Sachs und als EU-Kommissar erhalten haben. Welches Erpressungspotenzial sich zukünftig mit einer Drohung zum Austritt Italiens aus dem Euro ergibt, wenn Merkel am Dogma einer Euro-Rettung um jeden Preis festhält, ist noch gar nicht abzusehen. Ein italienischer Anti-Euro-Kurs nach einer Rück­kehr Berlusconis auf die politische Bühne oder einem Wahlsieg Grillos bei den Parlamentswahlen dürfte allerdings auch die Koordinaten im deutschen Wahlkampf gehörig durcheinanderbringen. Regulär sind die italienischen Parlamentswahlen für das Frühjahr 2013 angesetzt – nur ein halbes Jahr vor den Bundestagswahlen. Hermann Müller


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