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07.07.12 / Mit seinen Büchern verbrannte auch seine Karriere / Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten versuchte der Schriftsteller Karl Jakob Hirsch vergeblich in den USA einen Neuanfang

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 27-12 vom 07. Juli 2012

Mit seinen Büchern verbrannte auch seine Karriere
Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten versuchte der Schriftsteller Karl Jakob Hirsch vergeblich in den USA einen Neuanfang

Der am 13. November 1892 in Hannover als Sohn eines jüdischen Arztes geborene Karl Jakob Hirsch hatte sich schon früh in der Berliner Kunstszene als expressionistischer Zeichner und Grafiker sowie als Bühnenbildner an der „Volksbühne“ einen Namen gemacht. Dennoch war er Mitte der 20er Jahre zu dem Entschluss gekommen, künftig „in Worten produktiv sein zu wollen und nicht mehr in Farben“, da er hierin seine eigentliche Begabung sah.

Fortan publizierte Hirsch verstärkt Kurzgeschichten sowie kunst- und kulturkritische Aufsätze. 1931 schließlich gelang ihm mit seinem im renommierten S. Fischer Verlag herausgegebenen Erstlingswerk „Kaiserwetter“ sein literarischer Durchbruch als Romanautor.

Das Werk erinnert an Döblins kurz zuvor erschienenen Roman „Berlin Alexanderplatz“, mit dem es auf eine Stufe gestellt wurde. Wie dieser ist auch Hirschs „Kaiserwetter“ ein gesellschaftskritischer Großstadtroman. Allerdings spielt sich das Romangeschehen nicht in der Zeit der Weimarer Republik ab, sondern umfasst die letzten zwei Jahrzehnte der Vorkriegszeit, als Deutschland unter Wilhelm II. noch Kaiserreich war. Auch ist als Schauplatz der Handlung nicht die deutsche Metropole, sondern die preußische Provinzhauptstadt Hannover gewählt. Hirsch wollte deutlich machen, dass sich bereits im Wilhelminischen Reich – aller Selbstgefälligkeit und allem naiven Fortschrittsglauben weiter Bevölkerungskreise zum Trotz – moralische und politisch-gesellschaftliche Auflösungsprozesse abspielten.

Kaum waren die Nationalsozialisten an der Macht, wurde im Rahmen einer im Mai 1933 im Berliner Lustgarten inszenierten Bücherverbrennung unliebsamer Autoren auch Hirschs „Kaiserwetter“ pathetisch „den Flammen übergeben“. Noch im gleichen Jahr untersagte ihm die Reichsschrifttumskammer als nicht „reinblütigen Deutschen“ jede weitere Tätigkeit als Schriftsteller und Journalist. Damit war, kaum dass Hirsch angefangen hatte, sich in Deutschland als Dichter zu etablieren, bereits das Ende seiner schriftstellerischen Laufbahn eingeläutet: „Meine Wünsche und meine Sehnsucht wurden eingeengt, sie starben, bevor ich aus ihnen das machen konnte, was mir Leben bedeutete: meine Kunst … Ich hatte in Deutschland nichts mehr verloren.“

Ende Juni 1936 setzte sich Hirsch mit der Familie zunächst in die Schweiz ab, um dann im folgenden Jahr in die USA zu emigrieren. Wie so viele andere deutsche Emigranten tat sich auch Hirsch schwer, in Amerika Fuß zu fassen. Seine wirtschaftlichen Verhältnisse besserten sich erst, als er 1942 eine Stelle bei einer Kriegsbehörde antreten konnte, nachdem er im Jahr zuvor die US-Staatsbürgerschaft erhalten hatte. Seine Ehe allerdings brach im Exil auseinander.

Die bittere Erkenntnis, dass er sich als Schriftsteller in der Emigration nicht entfalten kann, all die Mühsale des Gelderwerbs in einem Land, in dem der Wert eines Menschen vor allem nach seinem Einkommen taxiert wird, schließlich Zerwürfnis und Scheitern seiner Ehe sowie eine ihn erfassende lebensgefährliche Erkrankung – dies alles trieb Hirsch in eine tiefe Lebens- und Identitätskrise. Sie führte dazu, dass er, ein bis dahin überzeugter Atheist, sich dem Christentum zuwandte und sich Karfreitag 1945 in einer presbyterianischen Gemeinde taufen ließ. Bereits ein Jahr später erschien sein Bekenntnisbuch „Heimkehr zu Gott“, in dem er „in Briefen an meinen Sohn“ seine Lebensgeschichte und seinen Weg zum Christentum beschreibt.

Nach dem Krieg kehrte Hirsch wieder nach Deutschland zurück. Hier musste er erfahren, dass er als Schriftsteller im Nachkriegsdeutschland nicht mehr gefragt war. Auch sagte ihm, der politisch stets links ausgerichtet war, die politische und gesellschaftliche Entwicklung der sich etablierenden Bundesrepublik nicht zu. Verbittert verstarb er am 8. Juli 1952 im Alter von noch nicht einmal 60 Jahren in München. Matthias Hilbert


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