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07.07.12 / Schon mit ein paar Cent Gutes tun / Die werbewirksame Großaktion »Deutschland rundet auf« etabliert Kleinstspenden

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 27-12 vom 07. Juli 2012

Schon mit ein paar Cent Gutes tun
Die werbewirksame Großaktion »Deutschland rundet auf« etabliert Kleinstspenden

Jeder Cent bewirkt Gutes“, lautet das Motto der Aktion „Deutschland rundet auf“. Mit Cent-Beträgen von der Supermarktkasse fördert sie soziale Projekte. Mit einem saloppen „Aufrunden bitte“ können Verbraucher an der Kasse teilnehmender Geschäfte bis zum nächsten Zehn-Cent-Betrag erhöhen und diese Kleinstsummen spenden. Aus 1,99 Euro werden beispielsweise zwei Euro. Im März startete die Aktion mit 30000 angeschlossenen Kassen in 15 Handelsunternehmen. Inzwischen ist deren Zahl auf 18 gewachsen.

Kaum ein Fernsehabend verstreicht, an dem nicht zur besten und damit teuersten Sendezeit die Werbebotschaft der Initiative aus Berlin versendet wird. Die zusammengetragenen Kleckerbeträge gingen an soziale Projekte in ganz Deutschland, in die das Spendenvolumen auch 100-prozentig einfließe, versprechen die Macher der Initiative. Die begannen ihren Feldzug für kleine gute Taten im täglichen Kauf-Einerlei ausgehend von einer genauen Analyse des Spendenmarktes Deutschland: 2,9 Milliarden Euro geben die Deutschen derzeit jährlich. Jedoch spenden 61 Prozent der Deutschen nicht. Mehr als die Hälfte der landesweiten Geldspenden kommt allgemein von Menschen über 60 Jahren und gerade kleine Spenden spielten bisher auch wegen des hohen Verwaltungsaufwandes kaum eine Rolle.

In diese Marktlücke springt jetzt „Deutschland rundet auf“. Nach dem Start im März dauerte die Ermittlung erster Spendensummen aus den Kassen der einzelnen Geschäfte. Ein erster Überblick über die mögliche Wirkung ließ daher auf sich warten – frustrierend für manche Nutznießer und Spender. Doch Ende Juni wurde das erste Mal ein konkretes Projekt gefördert: 93 Tage nach dem Start „kann mit vielen kleinen Cents erstmals Großes bewirkt werden“, gab die Kampagne der Presse bekannt. 245000 Euro gingen an die „Eltern AG“. Die Einrichtung unterstützt Mütter und Väter in ihrer Elternrolle. Von den dank Aufrunden bezahlten 75 neuen Eltern AGs würden 1500 Kinder profitieren, versprach der Empfänger. Symbolträchtig überreichte „Deutschland rundet auf“-Gründer Christian Vater einen Scheck. Vater ist Geschäftsführer der gemeinnützigen Stiftungs-GmbH. Nach seiner Lehre zum Bankkaufmann machte er einen Bachelor-Abschluss in Management. Danach arbeitete er als Manager in der Musikindustrie in verschiedenen nationalen und internationalen Positionen, so bei der medial einflussreichen Bertelsmann Music Group (BMG), bei EMI Music, DEAG und im Management von Popsänger Robbie Williams.

Doch das Geld für die sozialen Wohltaten kommt nicht nur von Kleinspendern. Auch die 2010 gegründete Social Venture Management GmbH überließ „Deutschland rundet auf“ 500000 Euro und ist dort im Kuratorium vertreten. Netzwerken ist das Motto auch dieser Gesellschaft mit dem selbsterklärten Ziel, „mit unternehmerischer Energie und einem erfolgsorientierten Investmentansatz positiven gesellschaftlichen Wandel zu ermöglichen“.

Dank aggressiver Werbung erhöhten seit dem Start im Handel bisher knapp sechs Millionen Mal Kunden freiwillig die Preise, um anderen bei „Deutschland rundet auf“ zu helfen. Die Maßnahme wächst sich somit zu einem riesigen Testfeld aus: Für welchen Zweck gibt der durchschnittliche Verbraucher wie viel freiwillig her, wenn es keinen Aufwand macht. Gekoppelt mit der Werbung für einzelne spendenempfangende Organisationen lässt sich diesen auch leicht eine Rück­meldung geben. Vor allem aber wird Wohlfahrt mit Werbung und Konsum eng verknüpft. Die Botschaft lautet: Ich kaufe, also tue ich Gutes. Denn erst wenn ein vorher festgelegter Empfänger seinen zuvor ermittelten Bedarf über die Centbeträge zusammen hat, kommt ein neuer infrage. Das aktuell nächste Förderprojekt ist „Klasse 2000“, ein Projekt zur Stärkung des Gesundheitsbewusstseins von Grundschulkindern.

Vor den Erfolgsmeldungen stand indes auch Kritik an „zweifelhaften Mitspielern“ unter den Teilnehmern der Aufrundungskampagne. So bemängelten Blogger im Internet, dass einige beteiligte Unternehmer ihre Kassen und Geschäftspraktiken bekanntermaßen sonst sozialen Zielen eher verschließen würden. In der Kritik stehen dabei Markendiscounter, die ihren eigenen Angestellten geringste Löhne zahlen oder Textilunternehmen, die in Bangladesch Näherinnen für gerade einmal 30 Euro im Monat beschäftigen. Die zahlreichen Partner, die Vater bisher überzeugte teilzunehmen, sind jedoch eine bunte Mischung. Dazu gehören Marc O’Polo, Bonprix, Douglas, Görtz, KiK, Netto, Penny und die Toom-Baumärkte. Sie verkaufen in gut 12000 Filialen, in denen jährlich 1,5 Milliarden Bezahlvorgänge anfallen, so „Deutschland rundet auf“. Wer also spenden will, ist in guter Gesellschaft, sollte sich aber zuvor über die geplanten Empfänger informieren. S. Gutschmidt


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