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14.07.12 / Ägypten im »verfassungsmäßigen Koma« / Neuer Präsident fordert mit Wiedereinsetzung des Parlaments das Militär heraus und sorgt für Instabilität

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 28-12 vom 14. Juli 2012

Ägypten im »verfassungsmäßigen Koma«
Neuer Präsident fordert mit Wiedereinsetzung des Parlaments das Militär heraus und sorgt für Instabilität

Kaum im Amt, fordert Mursi mit der Wiedereinberufung des vom Militärrat aufgelösten Parlaments die Generale heraus. Der Militärrat kam zu einer Dringlichkeitssitzung zusammen; wie er weiter vorgehen wird ist unklar. Auch das Verfassungsgericht will Mursis Schritt prüfen. Ägypten droht, im politischen Chaos zu versinken.

Das Parlament war nach einer Entscheidung des Verfassungsgerichts vor einem Monat vom Militärrat aufgelöst worden, weil ein Drittel seiner Mitglieder unabhängige Kandidaten sein sollten. Die Muslimbruderschaft hatte über diese Listen jedoch ihre eigenen Kandidaten ins Parlament geschleust und so 50 Prozent der Abgeordnetensitze erringen können. Mit der Wiedereinberufung des von Islamisten dominierten Parlaments setzt sich Mursi über die Entscheidung von Verfassungsgericht und Militärrat hinweg und holt damit zum ersten Gegenschlag im Machtkampf mit den Generalen aus.

In seinem Erlass ordnete er laut einem Bericht der amtlichen Nachrichtenagentur Mena zudem die Wahl eines neuen Parlaments binnen 60 Tagen nach der Annahme einer neuen Verfassung an. Eine neue Verfassung ist jedoch noch nicht einmal geschrieben. Die Verfassungsgebende Versammlung wurde erst kurz vor der Präsidentschaftswahl per Verordnung des Militärrates wieder eingesetzt, nachdem die Zusammensetzung auch dieses von der Muslimbruderschaft dominierten Gremiums im April vom Verfassungsgericht zunächst für ungültig erklärt worden war. Die Ausarbeitung und Verabschiedung der neuen Verfassung wird nicht vor Jahres­ende erwartet.

Mit seiner Entscheidung, das Parlament wieder einzuberufen, löst Mursi eine neue Welle der Instabilität in Ägypten aus, nachdem viele geglaubt hatten, mit seiner Einsetzung sei nun eine Phase der Beruhigung eingetreten und das Land könne sich nun endlich seinen drängenden alltäglichen Problemen widmen. Viele Beobachter glauben nun, dass damit schon jetzt die lange Zeit erwartete entscheidende Phase im Kampf zwischen der militärischen und der religiösen Klasse in Ägypten begonnen hat. Während bis zur Wahl des neuen Präsidenten das Militär die Gunst der Mehrheit der Bevölkerung hinter sich hatte, könnte es diesmal jedoch anders ein. Denn diesmal könnten die Generale den Kürzeren ziehen, da sie es mit einem mit einer – wenn auch nur  hauchdünnen – Mehrheit gewählten Präsidenten zu tun haben. Allerdings verfügen die Militärs in Ägypten nicht nur über die Kontrolle des Sicherheitsapparates, sie dominieren auch dank eines Netzes von Unternehmen 40 Prozent der Wirtschaft des Landes am Nil.

Während Mitglieder der islamistischen Muslimbruderschaft, der Mursi selbst angehört, den Schritt begrüßten, übte der ägyptische Friedensnobelpreisträger Mohammed El Baradei, der als möglicher neuer Premierminister gehandelt wird, im Kurznachrichtendienst Twitter deutliche Kritik: Der Erlass des Präsidenten führe das Land „in ein verfassungsmäßiges Koma“ und lähme die wichtigsten staatlichen Institutionen, so die deutlichen Worte Baradais. Die Bekanntgabe der neuen Regierung, eigentlich die erste Aufgabe des neuen Präsidenten, dürfte nun wieder für längere Zeit blockiert sein.

Wenige Stunden vor der Bekanntgabe von Mursis Entscheidung hatte US-Vizeaußenminister William Burns Mursi bei einem Treffen eine Nachricht von US-Präsident Barack Obama übergeben. Darin bekräftigte Oba­ma die „neue Partnerschaft“ mit Ägypten und lud Mursi für September zu Gesprächen ins Weiße Haus ein. Diese Geste war notwendig geworden, nachdem in Washington Zweifel an der Vertragstreue des neuen, islamistischen ägyptischen Präsidenten bezüglich des Friedensvertrages mit Israel aufgekommen waren.          Bodo Bost


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