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14.07.12 / Drehkreuz nach Posemuckel / Der neue Berliner Großflughafen droht auch nach Fertigstellung ein Debakel zu werden

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 28-12 vom 14. Juli 2012

Drehkreuz nach Posemuckel
Der neue Berliner Großflughafen droht auch nach Fertigstellung ein Debakel zu werden

Ausgeuferte Baukosten und die mehrfach verschobene Eröffnung werden für gewöhnlich mit dem Desaster um den neuen Berliner Hauptstadtflughafen BER in Verbindung gebracht. Das eigentliche Debakel könnte allerdings erst nach der Flughafeneröffnung he­reinbrechen, im Extremfall könnte sogar die Schließung drohen.

Die Empörung war groß, als Renate Künast im vergangenen Berlin-Wahlkampf forderte, der neue Flughafen solle kein Luftverkehrsdrehkreuz, sondern nur ein Regionalflughafen werden. Allen Beteiligten des damaligen Streits hätte ein Blick auf die Zahlen der Berliner Flughäfen gutgetan: Die Wahrscheinlichkeit, dass sich BER als internationales Drehkreuz durchsetzt, sind denkbar gering – Berlin ist zur Hochburg der Billigfliegerei avanciert.

Die fetten Jahre in der Luftfahrt sind erst einmal vorbei und Berlin hat sie verschlafen. Sollte der Flughafen im kommenden Jahr fertig werden, wird er zu einem Zeitpunkt an den Start gehen, an dem sich die Luftfahrtbranche in einer tiefen Krise befindet. Der internationale Branchenverband IATA sieht auf Europas Fluggesellschaften allein in diesem Jahr Verluste von 1,1 Milliarden US-Dollar zukommen. Roland Busch, Finanzchef des Lufthansa-Ressorts „Passage“, sieht hier die Flughäfen in der Pflicht, deren Gebühren zu hoch seien, auch in Berlin.

Damit nicht genug: Die Flughäfen Tegel und Schönefeld bringen in die Branchenkrise noch ein hausgemachtes Problem mit. Bereits im Jahr 2009 hatte Frank Welskop in seinem Buch „BBI - ein neuer Berliner Bankenskandal?“ auf eine regelrechte „Umsatzka­tastrophe“ der Berliner Flughäfen hingewiesen. Seine damals analysierten Geschäftszahlen haben sich inzwischen weiter verschlechtert.

Worin das Berliner Dilemma besteht, macht ein Vergleich mit den Flughäfen Frankfurt und München deutlich, mit denen sich Berlin so gern messen will: Die Frankfurter erzielten im vergangenen Jahr einen Umsatz von 42,55 Euro pro Fluggast, München immerhin 25,13 Euro. Die beiden Berliner Flughäfen feierten zwar mit 24 Millionen Fluggästen einen neuen Rekord, schaut man sich aber die Umsätze an, dann ist das Attribut „unterirdisch“ naheliegend: Magere 10,96 Euro pro Fluggast. Damit spielt Berlin in einer Liga mit Regionalflughäfen für Billigflieger wie Frankfurt/Hahn oder Paderborn. Der Durchschnittsumsatz aller deutschen Verkehrsflughäfen beträgt 25 Euro.

Nahezu bedeutungslos ist inzwischen auch die Luftfracht in Berlin: Im Planfeststellungsantrag für BER wurden für das Jahr 2010 noch 230947 Tonnen prognostiziert – tatsächlich umgeschlagen wurden in dem Jahr nur 31696 Tonnen, Luftpost inklusive. Verschärft durch die Kreditkosten für den Bau des neuen Flughafens taucht in der Berliner Jahresbilanz 2011 den mageren Umsätzen entsprechend auch ein Minus von 74 Millionen Euro auf, in Frankfurt/Main hingegen ein Plus von 250 Millionen. Mit nur doppelter Passagierzahl erzielte Frankfurt im Vergleich zu Berlin den vierfachen Umsatz und im Unterschied zu den Berlinern auch einen Gewinn.

Die Passagiergruppe, die in Berlin fehlt, die aber einen Flughafen erst zum wirklichen Drehkreuz und zum Gewinnbringer macht, sind die Umsteigepassagiere: In Frankfurt/Main liegt deren Anteil bei 50 Prozent, in München bei 40 Prozent – Berlin bringt es auf fünf Prozent. Die Zahl ist auch kaum verwunderlich: Am Gesamtangebot haben Interkontinentalverbindungen in Berlin nur einen Anteil von drei Prozent. Es besteht kaum ein Anlass dafür, einen Zubringerflug nach Berlin zu besteigen, um dann von hier aus in die weite Welt aufzubrechen. Bisheriges Alleinstellungsmerkmal Berlins ist eine Direktverbindung nach Ulan-Bator, und selbst die ist regelmäßig im Gespräch, nach Frankfurt/Main verlegt zu werden – der besseren Anbindung für Umsteiger wegen.

Die Berliner Hoffnungen auf Erhöhungen der Einnahmen liegen im sogenannten Non-Aviation-Bereich: Erkennbar sein wird das im neuen Hauptterminal an den endlosen Einkaufsflächen, durch die die Passagiere künftig vor dem Einstieg in den Flieger geschleust werden sollen: Ob die in Berlin dominierenden Passagiere von Billig- und Kurzstreckenflügen den erhofften Umsatzsprung auslösen, ist fraglich. Ebenso die Hoffnung auf die Fluglinie Air Berlin: Die wollte in Berlin ein Drehkreuz mit möglichst vielen Umsteigepassagieren einrichten, steht nun aber selbst in den roten Zahlen und vor ungewissen Zukunftsaussichten.

Dem neu ins Boot geholten arabischen Großaktionär Etihad Airways dürfte mehr daran gelegen sein, sein eigenes Drehkreuz in Abu Dhabi mit Zubringerflügen von deutschen Flughäfen zu füttern, als in Berlin einen konkurrierenden Standort großwerden zu lassen.

Sollte ein fundamentaler Wandel bei den Geschäftszahlen des Berliner Luftverkehrs allerdings ausbleiben, dann wird sich schon bald die Frage nach einer laufenden Subventionierung stellen: Den ausgeuferten Bau- und Kreditkosten werden die mageren Einnahmen gegenüberstehen. Eine dauerhafte Subventionierung des Flughafenbetriebs ist angesichts der Haushaltslagen in Berlin und Brandenburg kaum denkbar. Ebenso wenig, dass die EU angesichts ihrer bisherigen Rechtsprechung derartiges überhaupt dulden würde. Im Extremfall könnte dann drohen, was vielen aktuell noch undenkbar erscheinen mag: Eine Region Berlin-Brandenburg, die statt eines internationalen Drehkreuzes überhaupt keinen eigenen Verkehrsflughafen mehr besitzt.           Norman Hanert


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