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14.07.12 / Energiewende schöngeredet / DIW-Studie für Greenpeace verharmlost Kosten des grünen Experiments – Preisexplosion wird geleugnet

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 28-12 vom 14. Juli 2012

Energiewende schöngeredet
DIW-Studie für Greenpeace verharmlost Kosten des grünen Experiments – Preisexplosion wird geleugnet

Erneuerbare Energie ist nach einer aktuellen Greenpeace-Studie günstig zu haben: Der Atomausstieg beeinflusse die Kosten kaum. Schuld an der stockenden Energiewende und dem bisherigen Preisanstieg sei vielmehr die Bundesregierung, so das Gutachten.

Unternehmen geben sich mitunter ökologisch und ethisch korrekter, als es ihre Produkte bei kritischer Prüfung erlauben. Diesen Trend, sich grünzuwaschen (engl.: „Greenwashing“), attackieren Umweltschützer wie Greenpeace seit Jahren. Nun hat Greenpeace Deutschland, längst selbst ein Unternehmen, beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) eine Studie in Auftrag gegeben. Das Papier zeichnet die Chancen für kostengünstigen, sauberen und grünen Strom in rosigen Farben. Konkret geht es in dem Gutachten um die Kosten der Energiewende in Deutschland. Anfang des Jahres warnte nämlich die Industrie vor deren hohen Kosten, trotz abfedernder Ausnahmeregeln: „Deshalb ist es fahrlässig zu behaupten, dass die Energiewende allenfalls ein paar alten Industrien die Existenz kosten werde“, so der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), Hans-Peter Keitel. Arbeitsplatzverlust und Deindustrialisierung, Letzteres von EU-Energiekommissar Günther Oettinger im Mai kritisiert, droht laut Wirtschaftsexperten daher vor allem wegen der hierzulande vergleichsweise hohen Stromkosten, angefeuert durch den Atomausstieg. Nun stellte Claudia Kemfert, Mitverfasserin des neuen Greenpeace-Papiers und Leiterin des Bereichs Energie, Verkehr, Umwelt am DIW, abweichend fest, es sei „keine Strompreisexplosion zu erwarten“. Außerdem gelte: „Ein möglicher Strompreisanstieg kann durch Energieeffizienzverbesserungen deutlich abgemildert werden.“

Sparen soll demnach weiteren Preisanstieg und drohende Versorgungsengpässe infolge der Abschaltung von (Kern-)Kraftwerken verhindern. Wie das Grundproblem der Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands bei steigenden Preisen für grüne Energien gelöst werden kann, erklärt die neue Studie nicht. Die Großindustrie habe enorme Möglichkeiten zum Stromsparen, hieß es nun bei Vorstellung der Studie pauschal. Demnach sei bis zum Jahr 2020 mit einem Aufschlag von gerade einmal 0,2 bis 0,6 Cent pro Kilowattstunde auf den Großhandelspreis für Strom zu rechnen. Das entspreche einem Preisanstieg zwischen vier und zwölf Prozent, rechnet das DIW vor.

Die Deutsche Energieagentur Dena schätzte im Dezember hingegen den Anstieg auf rund 20 Prozent bis 2020. Auch die Bundesnetzagentur rechnet mit höheren Preisen als die Umweltschützer. Tatsächlich zahlen deutsche Verbraucher für eine Megawattstunde Strom bereits 80 Euro. In Italien sind es beispielsweise nur 60 und in den USA umgerechnet nur gut 40 Euro. Die Umweltaktivisten haben indes laut ihrer Studie vor allem das nationale Klimaschutzziel von 40 Prozent weniger Kohlendioxydausstoß bis 2020 im Blick. Um das zu erreichen, sollen Stromproduzenten gut die Hälfte weniger Treibhausgase produzieren, fordert die Studie nun. Bei Abschaltung der Atomkraftwerke sei dies nur im Rahmen eines funktionierenden europäischen Emissionshandels möglich, behauptet das Papier.

Statt einen kritischen Blick auf die realen Möglichkeiten sauberer Kraftquellen zu werfen, spricht Greenpeace sich so für noch mehr Bürokratie aus. Erst damit „würden die Investitionen in Kohlekraftwerke unattraktiv und emissionsärmere Gaskraftwerke begünstigt“, so die Empfehlung. Diese ist maßgeschneidert auf die Greenpeace-Forderung, Gaskraftwerke als Brückentechnik einzusetzen bei gleichzeitiger Abschaltung aller Atomkraftwerke bis 2015. Erst vor wenigen Wochen hatte sich Greenpeace für die Abschaltung sämtlicher Kohlekraftwerke ausgesprochen und Gaskraftwerke als vorübergehenden Ersatz gefordert, und zwar ungeachtet der Tatsache, dass deren Bilanz beim Kohlendioxyd kaum geringer ausfällt. Die Entscheidung fiel mit dem Bekanntwerden neuster Daten zu Deutschlands jüngst steigendem Kohleverbrauch zusammen. Das Beratungsunternehmen Ecofys berechnete daraufhin im Auftrag von Greenpeace für alle 140 deutschen Kohlekraftwerke, wie viel Strom diese noch liefern dürfen und wann sie vom Netz zu nehmen sind.

Die aktuelle Studie geht noch weiter. Wenn ein funktionierender Emissionshandel mit einer erfolgreichen Effizienzpolitik vereint werde, würde der Schadstoffaustoß im Stromsektor im Jahr 2020 um 48 Prozent geringer ausfallen als jetzt, im Jahr 2030 sogar um 64 Prozent. Falls es anders kommen sollte, benannte Greenpeace-Energie­experte Niklas Schinerl auch schon einen Schuldigen: „Wenn die Strompreise steigen, ist nicht der Atomausstieg der Sündenbock, sondern Wirtschaftsminister Rösler.“ Die schiere Hoffnung auf beständig weitere Stromsparmöglichkeiten bestimmt so den Blick auf die Energiewende. Sverre Gutschmidt


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