28.03.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
14.07.12 / Er änderte die Zeiten / Dutschke und seine Folgen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 28-12 vom 14. Juli 2012

Er änderte die Zeiten
Dutschke und seine Folgen

Neu für die meisten Leser wird sein, dass der Studentenführer der 60er und 70er Jahre Rudi Dutschke auf seine Art Deutschland liebte. Er war sogar eher Patriot als Pirat oder gar Terrorist. Das erfahren wir in einem Buch von zwei verdienten SPD-Funktionären mit Abitur über den Sozialistischen Deutschen Studentenbund (SDS), ein Buch, das es in seinen wesentlichen Teilen schon einmal gab, das wegen übergroßer Langeweile nicht mal die Korrektoren ganz durchgelesen hatten und das man nun unter einem neuen Titel, „Dutschkes Deutschland“ nun noch einmal herausgebracht hat. Man muss sich nur durcharbeiten, bis auf Seite 111 die „sozialutopische Weinrunde“ kommt, und lesen, wie einige Herren, die heute noch unter uns leben, in feuchtfröhlicher Stimmung den Terror der RAF erdachten und entwarfen, dann allerdings wird es spannend und abscheulich wie ein Schweden-Krimi von Wallander.

Fritz Teufel, Rainer Langhans, Uschi Obermaier und Rudi Dutschke kamen aus einer kleinen Münchener Studentengruppe namens „Subversive Aktion“ und die wollten, anders als die Piratenpartei heute, wirklich was kaputt machen. Und zwar alles, und nachdem Rudi zu spießig gewesen war, gemeinsam in die Analyse zu gehen und sein Gretchen in die gemeinsame Bettgemeinschaft einzubringen, trennten sich deren Wege radikal, die Kommune 1 machte die Spaßrevolution und Rudi – mein Freund Rudi – machte Ernst, er rief zum Langen Marsch, zu dem Gerhard Schröder und 100000 Studenten aufbrachen und 1998 auch ankamen. Viele sind was geworden. Schröder ging später zu Gasprom und die anderen bekamen eine Festanstellung, mindestens als Lehrer. Dutschke war weitsichtiger als seine einsitgen Mitkämpfer. Er ahnte bald, dass die Bewegung ohne Basis in der Arbeiterschaft „militärisch“ nicht siegen könne, und gab die bis heute für die deutsche Gesellschaft folgenreiche Parole aus: die vom „langen, mühevollen Marsch durch die Institutionen“.

Damals, zwischen 1967 und 1968, schien alles für die Ewigkeit verändert zu sein. Ein heute nicht mehr vorstellbarer Optimismus wollte alles Bisherige umkrempeln. Man wühlte alles um, mit beiden Händen, stellte alles in Frage, fragte nach jeder Anordnung: „Warum?“ Oder: „Muss das sein?“ Man hatte ja mit der Scheu vor den Autoritäten auch die Hemmungen verloren. Dutschke, die einmalige Lichterscheinung, hinterließ eine veränderte Umwelt. Kein Stein blieb mehr auf dem anderen, kein Begriff, kein Mensch, der sich nicht verändert hätte. Nicht nur die Studentenschaft, die Professoren, die Universität, auch die Literatur, die Kunst, die Musik, das Theater, der Film, Wohnen, Städtebau, Umgangsformen – alles und jedes hatte sich verändert, ist bis heute verändert geblieben, ob zum Besseren, ist die Frage. Selbst die Gegner der Bewegung, Konservative, Bauernverbände, Burschenschaften, Berufssoldaten, Polizisten, CDU- und sogar CSU-Funktionäre sahen anders aus, kleideten sich anders, redeten anders, hatten sich nach diesem einmaligen, kurzen Induktionsstrom, der in diesem Jahr durch die Gesellschaft fuhr, gewandelt. Wie es dazu kam ist in „Dutschkes Deutschland“ zu lesen.                Klaus Rainer Röhl

Tilman P. Fichter/Siegward Lönnendonker: „Dutschkes Deutschland. Der sozialistische Deutsche Studentenbund, die nationale Frage und die DDR-Kritik von links“, Klartext Verlag, Essen 2011, gebunden, 318 Seiten, 19,99 Euro


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabobestellen Registrieren