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14.07.12 / »Zur richtigen Zeit am rechten Ort« / Über die Leistungen des preußischen Kriegsministers Albrecht von Roon

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 28-12 vom 14. Juli 2012

»Zur richtigen Zeit am rechten Ort«
Über die Leistungen des preußischen Kriegsministers Albrecht von Roon

Guntram Schulze-Wegener, Fregattenkapitän der Reserve und Autor militärgeschichtlicher Überblicksdarstellungen wie „Deutschland zur See. Illustrierte Marinegeschichte von den Anfängen bis heute“ oder „Illustrierte Deutsche Kriegsgeschichte. Von den Anfängen bis heute“, thematisiert in seinem jüngsten Buch Albrecht von Roon, preußischer Kriegsminister von 1859 bis 1873 – also während der Heeresreform und den Einigungskriegen –, daneben Marineminister von 1861 bis 1871 sowie schließlich 1873 als formeller Höhepunkt der politischen Karriere zu deren Ende auch noch Präsident des Staatsministeriums.

Wer in der preußischen Geschichte des 19. Jahrhunderts fit und firm ist und konzentrierte Informationen über Roon wünscht, wird möglicherweise eine Fokussierung auf das Thema der Arbeit vermissen. Wer allerdings auch an Handbuchwissen über die für Preußen wie Deutschland so wichtige und interessante Zeit vom Vormärz bis zur Reichsgründung Interesse hat, kann getrost zu diesem Buch greifen. Als roter Faden zieht sich durch den Text, wie Roon die Ereignisse und Entwick-lungen wahrgenommen und wie er daran mitgewirkt hat.

Schulze-Wegener steht seinem Untersuchungsgegenstand nicht unkritisch gegenüber. So arbeitet er im Vergleich mit dem Eisernen Kanzler Otto von Bismarck und dem Generalstabschef Helmuth von Moltke dessen Schwächen heraus. Aber auf den Charakter Roons lässt er nichts kommen. Für ihn ist der Generalfeldmarschall der „eherne Inbegriff des Preußentums“. Schulze-Wegener mag Roon, das ist unübersehbar. Und diese Sympathie bezieht sich nicht nur auf den Mann, sondern auch auf dessen historisch bedeutendstes Werk, die Heeresreform. So spricht er im Zusammenhang mit dieser umstrittenen Reform von Kriegsminister Roon als dem „richtigen Mann zur richtigen Zeit am rechten Ort“.

Auf die Heeresreform bezieht sich auch die aus wissenschaftlicher Sicht interessanteste Aussage der Arbeit. Schulze-Wegener beschäftigt sich mit den Ursachen, dem Sinn und Zweck dieser Reform, die auf eine Stärkung der Linie auf Kosten der Landwehr hinauslief. Bezeichnenderweise beginnt er mit diesen Betrachtungen den mit „Macht“ überschriebenen Hauptteil seiner Biografie, der von dem Anfangsteil „Aufstieg“ und dem Endteil „Ausklang“ eingerahmt wird. Zur Einleitung referiert er die bisherigen zwei Erklärungsstränge. Da ist zum einen der heeresreformkritische Ansatz, der den Heeresreformern um Roon politische Motive unterstellt. Sie hätten in reaktionärer Absicht mit einer Entbürgerlichung der Streitkräfte durch Schwächung der Landwehr das Rad der Zeit vor die Scharnhorstsche Heeresreform mit ihrer Verbürgerlichung der Streitkräfte zurückdrehen wollen. Dem steht der heeresreformfreundliche Erklärungsansatz gegenüber, die Heeresreformer hätten mit ihrer Änderung der Wehrverfassung den Veränderungen seit den Befreiungskriegen Rechnungen getragen und einen seitdem entstandenen Reformstau aufgelöst. Schulze-Wegener versucht beide Erklärungsansätze zu entkräften, um dann einen eigenen vorzustellen.

Dazu holt er weit aus. Schulze-Wegener geht von einer chronischen zahlenmäßigen Unterlegenheit der Preußen gegenüber ihren potenziellen Gegnern aus. Dieses Dilemma lasse sich nur durch Praevenire (Zuvorkommen) kompensieren. Mit dieser Betonung der Notwendigkeit des Praevenire befindet sich der Reserveoffizier im Einklang mit den Militärs um Alfred Graf von Schlieffen, dem Vater des Schlieffenplans. Es ist allerdings auch diese Einschätzung, an der gemäß herrschender Lehre Deutschlands Mitschuld am Ausbruch des Ersten Weltkrieges vor allem festgemacht wird, habe sie doch in Kombination mit dem vielgescholtenen Primat des Militärs gegenüber der Politik dazu geführt, dass in Deutschland 1914 das Militär losgeschlagen habe, bevor die Politik alle Möglichkeiten einer friedlichen Lösung der Julikrise habe ausschöpfen können.

Die von Schulze-Wegener als notwendig gepriesene Fähigkeit zum Praevenire setzt in seinen Augen eines voraus: „eiserne Disziplin“, „die heute ohne Wissen um die inneren Zusammenhänge jener Epoche gern als pure Menschenschinderei ausgelegt wird, obwohl sie keineswegs ein Manko, sondern vielmehr überlebenswichtig gewesen ist“. Es ist diese eiserne Disziplin beziehungsweise deren Ein-übung, die uns Schulze-Wegener in seiner Roon-Biografie als Sinn und Zweck der Heeresreform vermitteln will. Begeistert schildert der Autor, wie Friedrich der Große mit Disziplin die Schlacht von Leuthen gegen einen zahlenmäßig überlegenen Gegner gewann. Dass Preußen mit einer auf Kadavergehorsam statt Überzeugung setzenden Armee kein halbes Jahrhundert nach Leuthen bei Jena und Auerstedt fast untergegangen wäre, thematisiert Schulze-Wegener nicht.  Manuel Ruoff

Guntram Schulze-Wegener: „Albrecht von Roon. Kriegsminister, Generalfeldmarschall, Ministerpräsident“, bebra wissenschaft, Berlin 2011, broschiert, 312 Seiten, 28 Abbildungen, 26,95 Euro


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