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21.07.12 / Andere Länder, andere Sitten / Datenschutz contra Transparenz und schnelle Verwaltung

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 29-12 vom 21. Juli 2012

Andere Länder, andere Sitten
Datenschutz contra Transparenz und schnelle Verwaltung

Der politische Streit um das neue Melderecht in Deutschland ruft EU-Kritik an dem Gesetzesvorhaben auf den Plan. EU-Justizkommissarin Vivianne Reding, die selbst gerade eine die Freiheitsrechte von EU-Bürgern beschneidende Frauenquote vorbereitet, greift den Bundestag für dessen Zustimmung zum Meldegesetz scharf an: „Wie will der Staat von Facebook und Google Datenschutz verlangen, wenn er selbst Daten verkauft?“ Tatsächlich handhaben die EU-Mitgliedsstaaten die Frage des Datenschutzes und der informationellen Selbstbestimmung ihrer Bürger höchst unterschiedlich.

Auch wenn sich die Frage aufdrängt, wann die EU je die Zustimmung ihrer Bürger bei der Weitergabe sensibler Daten an US-Behörden eingeholt hätte, lohnt sich für die deutsche Politik ein Blick auf die Meldegesetze anderer EU-Staaten. Glücklich dürfen sich vermeintlich die Briten schätzen: Eine offizielle Einwohnerregistrierung gibt es nicht. Allerdings verzeichnen die Behörden die Wahlberechtigten, die jeder Haushalt zu melden hat. Zudem machte der britische Staat in den vergangenen Jahren Bürgerdaten ungewollt öffentlich: 2008 verkaufte das Innenministerium aus Versehen einen Datenträger bei einer Internetauktion. Schon 2007 hatte das Finanzministerium rund 25 Millionen Steuerdatensätze verloren und auch bei Umwelt- und Verkehrsministerium sind bereits Millionen sensibler Bürgerdaten abhanden gekommen.

In Tschechien laufen derzeit die Vorbereitungen für ein elektronisches Register, das den Bürgern viele Behördenwege erspart. Das gelingt nur, weil die Behörden bald auf eine Weise vernetzt sind, wie es deutsche Datenschützer kaum zu denken wagen. Das 98 Millionen Euro teure Gesamtsystem macht den Wohnsitzwechsel leicht: Meldet sich ein Bürger beim Einwohneramt, gelangen die Daten binnen Sekunden an das Straßenverkehrsamt, das Finanzamt und das Katasteramt. Die Ämter reichen Angaben indes an Dritte nur weiter, wenn der Bürger es ausdrücklich wünscht. An einem von landesweit 6500 Stellen für Bürgerservice kann jeder so seine Bank oder andere Firmen über die offiziellen Einträge in Kenntnis setzen.

Österreich besitzt, aus der gemeinsamen Rechtstradition mit Deutschland kommend, sogar bereits ein Zentrales Melderegister. Nur mit einer ausdrücklich erklärten Auskunftssperre kann der Bürger Dritten den Zugang verwehren. Italien behält sich noch weitergehende Kompetenzen vor, auch wenn die Meldedaten weiter lokal geführt werden: Behörden prüfen die An- und Abmeldung erst, bevor sie diese offiziell bestätigen, was entsprechend bis zu vier Monaten dauern kann.

Im europäischen EU-Ausland Norwegen hat Transparenz Vorrang vor Datenschutz. Der Eintrag im Einwohnerregister „Folkeregisteret“ ist Pflicht. Die Finanzbehörde stellt zudem alle Bürger mit Namen, Adresse und Einkommen ins Internet und liefert auch Statistiken. Dazu gehört eine lokale Rangliste, wer der Meistverdienende im jeweiligen Ort ist, abwärts gestaffelt bis zum untersten Einkommen. So bleiben keine Fragen offen. SV


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