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21.07.12 / Adresse als Ware

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 29-12 vom 21. Juli 2012

Adresse als Ware

Preisausschreiben vom Lebensmittelladen um die Ecke versprechen Reisen oder Autos. Die Teilnahme ist einfach. Name und Adresse aufgeschrieben und ab die Post. So kommen Firmen an Daten, die sie auch untereinander tauschen. Neben solchen Wegen bieten auch Adresshändler, in der Branche „Listbroker“ genannt, mehr oder weniger professionell aufbereitete Daten. Der Wert beispielsweise eines Facebook-Profils, denn auch soziale Netzwerke sammeln Daten für die Wirtschaft, kann aufgrund der vielen Adressverweise Tausende Euro betragen.

Die gesamte Adresshandelsbranche macht in Deutschland Schätzungen zufolge über 27 Milliarden Euro Jahresumsatz. Neukunden zu werben, gilt als Königsdisziplin. Unter dem Oberbegriff des sogenanntem „Dialogmarketing“ suchen Wirtschaft wie Adresshändler Wege, den Kunden zu Angaben zu bewegen. Anbieter Quadress hält nach eigenen Angaben beispielsweise 32 Millionen Datensätze aus Deutschland zum Kauf bereit. Ob für Werbepost, für

E-Mails oder für Telefonanrufe, die Nutzungsmöglichkeiten sind vielfältig. Selbst Mobilfunkverträge und Kundenbindung über Bonuskarten (Payback-Karten) können dem Hauptzweck des Adresshandels dienen. Einer der führenden „Listbroker“ ist die Deutsche Post. Besonders wenn Adresshändler sich Daten über die Meldeämter „nur“ bestätigen lassen wollen, könnte künftig eine Rechtslücke entstehen, fürchten nun Kritiker. Die Branche selbst sieht indes Meldedaten wegen deren Gebühren eher als Ziel für Inkassounternehmen. Allein für Werbezwecke seien die Anfragen schon jetzt zu teuer, so der Deutsche Dialogmarketing Verband (DDV). Eine einmal zu nutzende Einzeladresse kostet auf dem freien Markt nur rund 20 Cent. SV

 

Zeitzeugen

Kaiser Augustus – Geboren als Gaius Octavius (63 v. Chr. – 14 n. Chr.) war der römische Kaiser um die Steuereinnahmen des Römischen Reiches bemüht wie kaum ein anderer Herrscher. Laut biblischer Überlieferung ordnete er daher eine Volkszählung an, zu der jeder sich an seinem Geburtsort einzufinden hatte.

Ferdinand I. – Der Kaiser des Heiligen Römischen Reiches (1503–1564) erfand zwar nicht das Meldewesen, dessen Wurzeln bis in die römische und ägyptische Antike reichen, legte jedoch so großen Wert darauf, dass er 1564 den Stadtanwalt in Wien anwies, „auf das Stadtwesen und alle Ordnungen sein fleißig Aufmerksam“ zu haben. Das galt insbesondere für Fremde in der Stadt. „Auf das durch fremde Leut und Gest nich Gefähr entstund“, so der Herrscher. Schon damals hatten Gastwirte demnach Meldezettel auzufüllen und den Behörden zu übergeben.

Napoleon Bonaparte – Der Kaiser der Franzosen (1769–1821) verbreitete die Idee der Wehrpflicht in Europa. Im Rahmen seiner Feldzüge brauchte der militärisch begabte Korse stets neue Soldaten und ordnete daher die Aufstellung von Einwohnerdaten, beispielsweise in „Ansässer-Verzeichnissen“ (Schweiz), an. Die Napoleonischen Reformen regten auch Preußen ab 1811 an, nicht mehr nur qualifizierte Einwohner zu verzeichnen. Napoleons Eroberungen und die Neuordnung deutscher Fürstentümer ebneten so neuen Meldeordnungen den Weg.

Hans-Peter Uhl – Der CSU-Politiker und innenpolitische Sprecher seiner Fraktion im Bundestag änderte die Gesetzesvorlage für das umstrittene neue Meldegesetz ab. Der Jurist (67) verteidigt sein Eingreifen zugunsten einer Datenweitergabe seitens der Meldeämter. Es sei kein Alleingang gewesen, auch habe der Antrag, den der Bundestag am 28. Juni beschloss, 13 Tage zuvor den Abgeordneten und der Presse vorgelegen. Die Diskussion nannte er „ziemlich hysterisch und abstrakt“ und gewerblichen Missbrauch angesichts der Auskunftsgebühr unwahrscheinlich: „Jeder Adresshändler wäre pleite.“


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