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21.07.12 / Bye Bye, United Kingdom / Die Kanalinsel Jersey will die Selbstständigkeit

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 29-12 vom 21. Juli 2012

Bye Bye, United Kingdom
Die Kanalinsel Jersey will die Selbstständigkeit

Eine völkerrechtliche Kuriosität weniger, ein neuer Zwergenstaat mehr, so könnte für Europa bald das Resultat des anhaltenden Steuerstreits zwischen der britischen Regierung und der Kanalinsel Jersey aussehen. Nur etwa 20 Kilometer vor der französischen Küste, aber 160 Kilometer von Großbritannien entfernt gelegen, stehen auf der Insel die Zeichen auf vollständige politische Loslösung von London. Klar geworden dürfte dies spätestens durch eine spektakuläre Ankündigung der ranghöchsten Politiker der Kanalinsel: „Die Insel sollte bereit sein, für sich selbst einzutreten, und sich darauf vorbereiten, in die Unabhängigkeit zu gehen – wenn das im Interesse Jerseys liegt.“

Jersey und andere Kanalinseln wie Guernsey sind völkerrechtlich weder Teil des Vereinigten Königreiches, noch sind sie eine Kronkolonie wie etwa früher Hongkong. Sie gelten als Kronbesitz (crown dependency) und sind damit direkt der britischen Krone unterstellt. Jedes Gesetz, das auf den Kanalinseln erlassen wird, braucht die Zustimmung des britischen Kronrats.

Nach außen hin wird die Insel gegen Honorar vom britischen Foreign Office vertreten. Die Freiräume dieses Sonderstatus wurden von Jersey bisher erfolgreich genutzt: Die Insel gilt als Steuerparadies. Der Höchstsatz der Einkommensteuer liegt bei 20 Prozent und die gesamte Steuergesetzgebung ist darauf angelegt, Privatvermögen und Unternehmen anzulocken, welche die Zahlung von Steuern vermeiden wollen. Entsprechend hoch ist die Konzentration von Vermögensverwaltungen und Hedgedfonds in Jerseys Hauptstadt Saint Helier, selbst wenn es sich dabei oft nur um Briefkastenfirmen handelt.

Das auf Jersey geparkte Vermögen wird auf bis zu 800 Milliarden Britischen Pfund geschätzt, jeder Fünfte der 90000 Inselbewohner arbeitet inzwischen direkt im Finanzsektor. Seitdem im Zuge der Finanzkrise der Kampf gegen die Steuerhinterziehung und die Rolle von Steuerparadiesen in den Blick zahlreicher Regierungen gerückt ist, hat sich auch der Druck auf Finanzplätze wie Jersey verstärkt. Werbebotschaften wie das unverblümte „Auf Jersey behalten Sie mehr von dem, was Sie verdienen“ kommen seitdem nicht nur in Westminster nur noch sehr schlecht an.

Bereits im März hatten Jersey und Guernsey eine Klage vor dem Obersten britischen Gericht wegen einiger wichtigen Steuerfragen verloren. Die Forderung des Gerichts: Jersey soll ein bestimmtes Steuerschlupfloch schließen, das von etwa 1000 Briten genutzt wird und dem britischen Finanzminister 168 Millionen Pfund an Verlusten beschert. Konkret geht es um den mehrwertsteuerbefreiten Verkauf von Waren nach Großbritannien.

Auf Jersey selbst scheint man nun bereit zu sein, im Notfall auch den letzten Schritt, den der vollständige Loslösung von Großbritannien, zu gehen. Angekündigt ist bereits die Eröffnung von Verbindungsbüros in London und Brüssel. Auch auf die EU würde mit einem vollständig selbständigen Jersey Neuland zukommen. Abweichend von einem Urteil des Bundesgerichtshofs, das im Jahr 2002 Jersey als Teil der EU bezeichnete, ist international die vorherrschende Rechtsauffassung, dass die Kanalinsel durch seinen bisherigen Sonderstatus als Kronbesitz nicht einmal Teil der EU ist. N.H.


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