19.04.2024

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21.07.12 / MELDUNG

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 29-12 vom 21. Juli 2012

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Rockende Oldies im Regen

Letzten Sonntagabend auf 54 Grad 13 Minuten nördlicher Breite und 8 Grad 86 Minuten östlicher Länge. Das bedeutet im Seefahrerjargon: Büsum an der Nordsee. Auf der NDR-Bühne am Seedeich versucht der Moderator Jens-Peter Beiersdorf die Zuschauermassen zu vertrösten. Es schüttet seit über einer Stunde wie aus Kübeln und es ist fraglich, ob Wettergott Petrus die Band „Santiano“ aus Flensburg, den Höhepunkt der Büsumer Festwoche, überhaupt auftreten lässt. Den klassischen Shanty modern intepretieren wollten fünf Musiker im Alter von 44 bis 62 Jahren, als sie ihre Band gründeten. Aber auch neue, eigene Lieder, die den Geist der Seemanslieder beibehalten, gehören zum Repertoire.

Im böigen Wind klappen Schirme wie Papier einfach zusammen, alle und alles ist nass, selbst die Bühne steht unter Wasser. Das Schiff „Santiano“ droht in Büsum zu stranden. Doch die Zuschauer beweisen eine ungeheure Standhaftigkeit, besonders die zähen Mitglieder des ersten offiziellen Santiano-Fanclubs mit ihrem regentriefenden Transparent. Beiersdorf trös­tet, macht Witze, verteilt Mützen, Kugelschreiber und Schlüsselanhänger und bekommt selbst eine volle Ladung Wasser vom Dach der Bühne ab. Es sieht schlecht aus. Graue Wolken­massen schieben sich unaufhörlich von Westen her über die Nordsee, kein Land in Sicht. Doch da – die tatsächlich letzte Regenböe ist gerade durchgezogen – kommen sie. Santiano, die junge Band mit den „Oldies“ aus Flensburg, die mit ihrem ersten Album 2012 die deutschen Charts gestürmt hat. Bandmitglied Axel Stosberg aus Hamburg ist der erste auf der Bühne, die Vorhut an Land sozusagen und bearbeitet zwei Kesselpauken mit kolossalen, heroischen Schlägen den Takt vorgebend. Santiano ist da und sofort geht es auf der Bühne und vor allem bei den so lange wartenden Fans ab. Jan und Hein und Klaas und Pit, alles Männer mit Bärten – nur die dürfen mit – Freiheit auf dem Meer, Goldschätze in Kalifornien, Barrels of Porter, Sehnsucht und Seefahrerromantik, rockige Shanties gemischt mit fetzigem Irish Folk – das volle Programm. Mehr noch: Björn Both spielt auf einem Didgeridoo, dem länglichen Blasinstrument der australischen Ureinwohner, im Duett mit dem Yorkshire-Man Pete Sage, dem Virtuosen der E-Geige. Und alle anderen Bandmitglieder, beson­ders Hans-Timm Hinrichsen, rocken mit. Man merkt es deutlich – den Musikern der Truppe macht es sichtlich Spass und dieser Funke springt auf das Publikum über, selbst auf den Urlauber aus Nürnberg, der eigentlich nur mal die Ebbe anschauen wollte und eher zufällig von der Musik angelockt wurde. Da wackelt der Deich. Dunkle Wolken, Sturm, Regen oder nasse Schuhe – Pah, Seeleute sind wir alle! Die Fünf von Santiano zeigen, was sie drauf haben, und wir Norddeutsche verstehen diese Sprache. Das haben wir hier oben im Blut, denn das sind Jungs aus unserer Mitte. Viel zu schnell und das trotz Zugabe, endet dieser Abend voll mitreißender Musik von unglaublichen Musikern. Es hat sich für alle Besucher des Konzertes gelohnt, klatschnass zu werden, denn diese Band ist jeden einzelnen Tropfen wert. Michael Buschow


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