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21.07.12 / Lieber einmal sehen als 100-mal hören / Tilsit feierte den 205. Jahrestag des nach ihm benannten Friedens mit einem umfangreichen Programm

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 29-12 vom 21. Juli 2012

Lieber einmal sehen als 100-mal hören
Tilsit feierte den 205. Jahrestag des nach ihm benannten Friedens mit einem umfangreichen Programm

Historisches Flair beherrschte in den ersten Julitagen Tilsit [Sowjetsk]. Man gedachte eines Kapitels der europäischen Geschichte, das sich vor 205 Jahren auf diesem Boden abspielte. Mit dem Friedensschluss zu Tilsit ging die Stadt am Memelstrom in die Geschichtsbücher ein. Ihr Name wurde in ganz Europa bekannt. Den Russen ist inzwischen bewusst geworden, dass sie auf Boden leben, wo einst Weltgeschichte geschrieben wurde. Das war Anlass genug, um mit einem umfangreichen Programm dieses Ereignis zu würdigen.

Die Feierlichkeiten begannen mit einer wissenschaftlichen Konferenz im Konzertsaal der Musikschule. Heimatforscher und Historiker referierten zum Thema „Auf historischem Boden“. Der Inhalt der Vorträge und die lebhafte Dis­kussion berührten die vielfältigen Aspekte der internationalen Politik und Diplomatie des 19. Jahrhunderts. Der Friedensschluss zu Tilsit – so wurde mehrfach hervorgehoben – sei ein gutes Beispiel außenpolitischer Kompromissbereitschaft, eine sehr unpreußische Sichtweise, die wohl nur damit zu erklären ist, dass Preußen an der Veranstaltung nicht beteiligt waren.

Doch bei den theoretischen Erörterungen blieb es nicht. Nach dem russischen Sprichwort „Lieber einmal sehen als 100-mal hören“ wurde die abstrakte Theorie am nächsten Tag in Szene gesetzt und nahm praktische Gestalt an. Mit einer historischen Darstellung der Ereignisse jener Tage wurden Einwohner und Gäste in die damalige Zeit versetzt.

Eine lange Kolonne von Soldaten in zeitgenössischen Uniformen der russischen, preußischen und französischen Armeen, dargestellt von Mitgliedern des militärhistorischen Vereins aus Pr. Eylau, paradierte durch die Stadt. Begleitet wurden sie von dem Blasorchester „Tilsit-Brass“ und dem Trommlerkorps des Kulturhauses „Parus“. Das Defilee bewegte sich zum Memelufer, wo an der Königin-Luise-Brücke die zahlreich erschienenen Zuschauer und die Vertreter von Presse, Funk und Fernsehen ein interessantes Spektakel erwartete.

Zwei Zelte, flankiert von Ehrenwachen, mussten die Rolle der seinerzeit im Memelstrom verankerten Floße übernehmen. Eine Darstellung auf der Flussmitte war nicht etwa aus finanziellen Gründen unmöglich, sondern weil die Memel heute an dieser Stelle als Grenzfluss der Europäischen Union und des Schengenraumes dient. Auch vor 200 Jahren betrachtete Napoleon sie als Außengrenze seines Machtbereichs.

Mit großem Pomp erschienen die Monarchen mit ihrem Gefolge, gespielt von Künstlern des Tilsiter Theaters. In mehreren Szenenbildern vermittelten sie ein anschauliches Bild der damaligen Ereignisse. Die Zuschauer konnten erleben, wie die auch von den Russen verehrte „Königin Luise“ in einer Kutsche vorgefahren kam und von „Napoleon“ galant empfangen wurde. Sie konnten die Verhandlungen zwischen „Bonaparte“ und „Zar Alexander“ verfolgen, in deren Verlauf „Napoleon“ theatralisch die Landkarte Europas zerriss. Und man sah die Unterzeichnung der Verträge in einer eindrucksvollen Inszenierung.

Die Feierlichkeiten fanden am späten Nachmittag ihre Fortsetzung mit einem festlichen „Tilsiter Ball“ im Saal der Zentralbibliothek, die den Namen des Heimatforschers Isaak Rutman trägt. Dort waren Schauspieler als Napoleon, Zar Alexander, König Friedrich Wilhelm mit Königin Luise, der Hofstaat, das Offizierskorps mit Damen friedlich vereint bei Tanz und Polonaise. Versierte Mitglieder des militärhistorischen Vereins boten Vorführungen und gaben Erläuterungen zu den einzelnen Tänzen jener Zeit und stießen bei den geladenen Gästen auf großes Interesse. Als Spezialität wurde Marzipan gereicht, hergestellt nach ostpreußischem Rezept vom örtlichen Technologie-College. Herzlich begrüßter Ballgast war der Präsident des Tilsiter Wohltätigkeitsvereins, Jewgenij Abarius.

Ihren krönenden Abschluss fanden die Feierlichkeiten mit einer literarisch-dramatischen Komposition, vorgetragen von Tilsiter Schauspielern. Hans Dzieran


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