19.04.2024

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21.07.12 / Die ostpreußische Familie / Leser helfen Lesern

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 29-12 vom 21. Juli 2012

Die ostpreußische Familie
Leser helfen Lesern
von Ruth Geede

Lewe Landslied,
liebe Familienfreunde,

heute mal etwas leichte Sommerkost. Und die schmeckt uns, denn es sind wieder Erfolge, von denen ich berichten kann. Da hatten wir in Folge 25 die Fragen von Herrn Dr. Martin A. Völker, Berlin, gebracht, der sich um die Erhaltung der Werke ostpreußischer Schriftsteller aus der Zeit vor und nach dem Ersten Weltkrieg bemüht. Es ging ihm diesmal um die Klärung einiger Textstellen aus den Arbeiten der Königsberger Schriftstellerin Katharina Botsky, die mir auch rätselhaft waren und die ich deshalb an unsere Ostpreußische Familie weitergab. Da war der Begriff „Lippstock-Salbe“. Zu vermuten war, dass es sich um eine Mixtur aus Liebstöckel und anderen Ingredienzien handelte. Und siehe da, es stimmte, denn eine Leserin konnte mit einer erstaunlich ergiebigen Auskunft aufwarten. Frau Hanna Hoefer liest immer gerne unsere Ostpreußische Familie, auch wenn sie nicht aus Ostpreußen stammt, aber ihre Schwiegereltern kommen aus dem Kreis Goldap. Da sie sich gut im Schleswiger Platt auskennt, hat sie im „Schleswig-Holsteinischen Wörterbuch“ bei Otto Mensing nachgesehen und wurde fündig. Lippstock bedeutet tatsächlich Liebstöckel und war für unsere Vorfahren ein wahres Zauberkraut. Es diente zur Vertreibung der Hexen, wurde den Gänsen beim Brüten untergelegt und den Kühen wurde mit Lippstock und Buttermilch das Euter gewaschen, wenn es geschwollen war. Mit Eschenborke zusammengebraut sollte es gegen Kreuzotterbiss helfen, und die Wurzel wird den an Rotlauf erkrankten Schweinen in das durchbohrte Ohr gesteckt. „Dieser Lippstock hat schon etwas Mystisches“, meint Frau Hoefer. Und wie harmlos wirkt dagegen das Stängelchen Liebstöckel, das unserer Gemüsesuppe die Würze verleiht!

Und da war noch der „Räuberhof“, von dem Katharina Botsky erzählt, und den wir in der Nähe vom Nassen Garten in Königsberg vermuteten. Da waren wir auf der richtigen Spur, wie uns Herr Rudi Herrmann aus Erkner mit seinen Erinnerungen bestätigt. Er meint zwar, seine Erklärung sei nur ein kleiner Hinweis, aber sie bietet zweifellos die Lösung. Der 1932 geborene Ponarther Jung aus der Wiesenstraße erinnert sich:

„Wir Jungs sind, wenn wir toben wollten, sehr viel herumgezogen. Bei uns floss an den Wiesen die Beek durch, an einer Stelle hatte sie eine Sandbank. Zum Leidwesen der Bauern Springer und Samland sind wir über die Wiesen gelaufen, so entstand ein Trampelpfad. Ein anderer führte über die Bergstraße, den ,schwarzen Weg‘ in Richtung Nasser Garten weiter zum Zigeunerlager und Lokschuppen. Gegenüber war eine Siedlung, etwa elf dreistöckige Verblendbauten mit Pappdächern, in der Mitte stand ein Brunnen. In den Blöcken wohnten sehr arme Leute und kinderreiche Familien – so jedenfalls meine Erinnerungen.“

Erinnerungen, in denen auch das „Räubertal“ als ein beliebter Jugendtreff auftaucht, eine alte Fabrik unterhalb des Güterbahnhofes, wo an zwei Stahlmasten mit Querträgern ein Seil angebracht war, an dem die Kinder schaukelten. Da hätten wir also alles gefunden, was Katharina Botsky geschildert hatte: die armseligen Häuser, den Brunnen, die vielen spielenden Kinder, das Räubertal – Herr Dr. Völker kann sich auf diese Ortung verlassen. Fehlt allein die „Gespenstereiche“, aber die könnte, als die Ponarther Bowkes dort spielten, schon gefällt worden sein. Ich danke Frau Hoefer und Herrn Herrmann, dass sie so bereitwillig mitgeholfen haben, diesen Originalschauplatz der Botsky-Novelle zu ergründen.

Über das erfreuliche Echo auf den Fotofund, der auf einer Straßenkreuzung in Heinsberg von aufmerksamen Passanten ent­deckt wurde, habe ich schon berichtet. Die alten Aufnahmen von Godrienen am Frischen Haff haben bei vielen Leserinnen und Lesern Interesse erweckt und wir konnten ihnen Kopien zusenden. Auch Frau Karin Gogolka aus Heinsberg, die uns den Fund übersandte, konnte eine erfreuliche Bilanz ziehen: „Es freut mich sehr, dass dank Ihrer Hilfe durch den Bericht in der Ostpreußische Familie die schönen Bilder von Godrienen ein neues Zuhause gefunden haben.“ Bei ihr hatten sich verschiedene Leser gemeldet, darunter auch ein Landsmann aus Berlin. Er ist ein echter Godriener, denn er wurde 1940 in dem kleinen Ort am Frischen Haff geboren und besaß bisher keine Bilder von seinem Heimatort. Bleibt also noch die ungeklärte Frage: Wie kommen die Fotos auf die Straßenkreuzung in dem rheinländischen Heinsberg? Eine Spur, die ich zu finden glaubte, erwies sich leider als Irrläufer. In der „Seelenliste“ der Gemeinde Godrienen hatte ich die heutige Anschrift eines von dort stammenden Landsmannes entdeckt – und die lautet „Heinsberg“. Doch leider hat er mit den Bildern nichts zu tun – es wär’ zu schön gewesen!

Dafür gab es dann für mich eine Überraschung von unerwarteter Seite. Da hatte sich Herr Norbert Hack aus Duderstadt zu den Godriener Fotos gemeldet und für mich einen „Bonbon“ mitge­schickt. Aber der ist schon mehr eine Edelpraline, denn es handelt sich um die Kopie einer alten Postkarte von dem Heimatort meiner Mutter Schöckstupönen. Ich wusste gar nicht, dass es von diesem kleinen bei Stallupönen/Ebenrode gelegenen Ort – den ich bei der Frage nach der Herkunft des in Petrikatschen gefundenen Kreuzes so nebenbei erwähnt hatte – überhaupt Postkarten gab. Ich selber besitze nur zwei alte Privatfotos von dem großelterlichen Haus – und nun dies. Eine Postkarte von 1912 (!) mit Gutshaus und Stallungen, mit Ernte-Gespannen und Mutterstuten bei der Winterarbeit, für mich gelebte Geschichte, zumal auch im Begleittext des damaligen Schreibers der seinerzeitige Besitzer, mein Onkel Otto, erwähnt wird. Nie zuvor, auch nicht in meiner Jugendzeit in der Heimat, hatte ich diese Aufnahmen gesehen, nun tauchen sie plötzlich bei einem sehr engagierten ostpreußischen Heimatkartensammler auf. So danke ich ihm von ganzem Herzen für diesen dokumentarischen Fund, den ich an den letzten Besitzer weitergeben kann.

Ja, hätte ich nicht den alten Namen „Schöckstupönen“ gewählt, sondern den 1938 eingeführten neuen Namen „Polau“ wäre Herr Hack vielleicht gar nicht aufmerksam geworden. Deshalb bemühe ich mich auch immer wieder, in solchen Fällen den alten wie den geänderten Ortsnamen zu bringen. Wie im Fall „Brakupö­nen/Ross­linde“, dem sowjetischen Internierungslager im Kreis Gumbinnen.

Die kleine Meldung, dass Frau Gertrud Bischof aus Nürnberg eine Broschüre über das Horrorlager Brakupönen erstellt hat, fand ein größeres Interesse als erwartet. Es meldeten sich Leserinnen und Leser, die selber in dem Horrorlager waren oder nahe Angehörige dort hatten. Vor allem für die Kinder der dort Inhaftierten bietet dieses Heft eine emotionslose Aufklärung über das Geschehen, über das die Betroffenen selber nie geredet haben. Auch in mancher Familienchronik steht für diese Zeit nur ein leeres Blatt. Damit die leider sehbehinderte Gertrud Bischof nicht mit weiteren Anfragen belastet wird – sie schreibt, dass sie bei den vielen Anfragen, die sie erreichen, nicht weiß, wem sie zuerst antworten muss –, haben wir die Versendung der Broschüre übernommen. Doch nun zeichnet sich schon ab, dass wir wahrscheinlich weitere Exemplare nachordern müssen. Für Frau Bischof mag dieses große Interesse eine Bestätigung für die Wichtigkeit ihrer jahrzehntelangen mühevollen Arbeit sein.

Auf eine Zuschrift muss ich aber noch eingehen, die zwar keine konkrete Lösung erbrachte, die aber zeigt, wie intensiv sich unsere Leserinnen und Leser mit den Suchfragen beschäftigen. Sie kommt von Frau Hildegard Mikoteit aus Bad Essen, die sich an ihre Königsbergreise 1993 erinnerte, als sie in Folge 19 die Frage von Frau Frieda Lukner aus Florida nach den Gräbern der in den ersten Nachkriegsjahren im Krankenhaus der Barmherzigkeit verstorbenen Patienten las. Frau Lukners Vater soll in einem Massengrab im Innenhof des Krankenhauses beigesetzt worden sein. Sie entdeckte damals mehrere Gräber und fragte nun unsere Ostpreußische Familie, ob diese noch existierten. Frau Mikoteit teilte Frau Lukner und auch uns mit, was sie vor 19 Jahren gesehen hatte. Sie sonderte sich damals von ihrer Reisegruppe ab, um nach den Gräbern der in dem Krankenhaus der oft unter furchtbaren Umständen verstorbenen Diakonissinnen zu suchen, und wurde von dem Pförtner auch gleich zu einem Gedenkstein gewiesen, der am Kopf eines Massengrabes steht, in dem die Schwestern ruhen. An andere Gräber konnte sich Frau Mikoteit nicht erinnern. Der Stein trägt die Inschrift: „Zur Erinnerung an die Diakonissinnen des Krankenhauses der Barmherzigkeit, die hier ihr Leben von ganzem Herzen Gott und den Lebenden gewidmet haben“. Von dem Stein und dem mit frischen Blumen bepflanzten Grab sandte Frau Mikoteit eine Aufnahme an Frau Lukner nach Florida und auch wir erhielten eine, wie unsere Leserinnen und Leser nun sehen.

Heute kommt nun auch Herr Fritz Schulz aus Cremlingen-Schandelah zu Wort, denn jetzt liegt seine genaue Anschrift vor, die bisher fehlte. Er stammt aus dem Oberland, aus Eckersdorf, Kreis Mohrungen und bemüht sich, alles zu erfassen, was es an Literatur über seinen Heimatort gibt. Herr Schulz besitzt bereits die hervorragende Chronik von Franz Teichert, aber er meint, es müsste noch weitere Veröffentlichungen geben. (Fritz Schulz, Westerbergstraße 18 in 38162 Cremlingen-Schandelah, Telefon 05306/2519.)

Eure Ruth Geede


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