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28.07.12 / Berlin hofft auf ein Wunder / Ab 2020 droht der Hauptstadt ein finanzielles Fiasko – Bund soll helfen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 30-12 vom 28. Juli 2012

Berlin hofft auf ein Wunder
Ab 2020 droht der Hauptstadt ein finanzielles Fiasko – Bund soll helfen

Sollte die von Bayern angedrohte Klage gegen den Länderfinanzausgleich Erfolg haben, wird es vor allem für Berlin, das Hauptempfängerland, sehr eng. Im Extremfall droht der Stadt eine Entwicklung, die sich die meisten Berliner bisher kaum vorstellen können.

„Mir reicht es, weiter vor dem Altar zu stehen und nicht abgeholt zu werden.“ – Zumindest aus Sicht des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit (SPD) dürfte zum Thema Länderfusion mit Brandenburg damit erst einmal alles gesagt sein. Anders scheint dies bei seinem Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos) zu sein. Der hatte vor einigen Monaten noch einmal das Thema einer Länderfusion mit Brandenburg in einem Interview mit dem „Spiegel“ ins Gespräch gebracht.

Angesichts der Schuldenbremse, die ab 2020 wirken soll, rechne er damit, dass einige Länder aus Finanznot ihre Selbstständigkeit verlieren würden, so Nußbaum. Auch wenn der Berliner Finanzsenator das Saarland und Bremen als erste Kandidaten für ein derartiges Szenario genannt hat, ist es auch Berlin, dem ein solches Schicksal in einigen Jahren droht: Die Stadt hat mittlerweile einen Schuldenberg von über 63 Milliarden Euro angehäuft. Mit über 18000 Euro pro Kopf liegt Berlin gleich nach Bremen bei der öffentlichen Verschuldung an der Spitze – bei der Finanzkraft allerdings 15 Prozent unter dem Bundesdurchschnitt.

Eine weitere Verschlechterung der Lage ist bereits absehbar: Ab 2020 wird die beschlossene Schuldenbremse den Bundesländern neue Kredite verbieten, zusätzlich fällt der Solidar-pakt II weg. Allein dieser spülte im vergangenen Jahr 1,5 Milliarden Euro in die Berliner Landeskasse. Damit nicht genug: Nachdem Bayern eine Reform des Länderfinanzausgleichs für gescheitert hält, hat Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) nun eine Klage beim Bundesverfassungsgericht angekündigt – eine weitere Berliner Einnahmequelle droht zu versiegen.

Nach Ansicht Bayerns ist der Finanzausgleich zu einer Bestrafung wirtschaftlich erfolgreicher Bundesländer mutiert, der Empfängerländern wie Berlin keine Anreize bietet, selbst auf die Beine zu kommen. Bayern zahlte als größtes Geberland im vergangenen Jahr 3,7 Milliarden Euro in das System ein, Berlin erhielt 3,04 Milliarden Euro. Zusammen mit dem Auslaufen des Solidarpakts II droht dem Berliner Haushalt ab 2020 im Extremfall jährlich ein Loch von vier bis fünf Milliarden Euro, während der bisher gebrauchte Ausweg neuer Schulden versperrt sein wird.

Das Szenario macht verständlich, warum die Länderfusion mit Brandenburg für den Berliner Finanzsenator nach wie vor ein Thema zu sein scheint. Ein Zusammengehen mit dem Nachbarn würde immerhin die Möglichkeit bieten, Verwaltungskosten zu sparen, obendrein besteht die vage Hoffnung, dass der Bund einen Teil der Berliner Schulden quasi als Mitgift für die Fusion übernähme. Ohne all dies müsste Berlin das Wunder zu Stande bringen, seine eigene Steuerkraft massiv zu steigern und gleichzeitig drakonisch zu sparen. Sollte diese Option scheitern, dann könnte auf Berlin ein wahres Schreckensszenario zukommen – weniger aus Sicht der meisten Berliner als vom Standpunkt Berliner Politiker: Die Stadt könnte finanziell irgendwann mehr oder minder direkt vom Bund abhängen und im Extremfall sogar seine politische Selbstständigkeit und den Status eines Bundeslandes verlieren: Endstation „Hauptstadtdistrikt“ nach dem Vorbild der US-Hauptstadt Washington.

Ein Ansatz für eine solche Entwick-lung ist bereits mit dem im Jahre 2007 geschlossenen Vertrag zur Hauptstadtfinanzierung gelegt. Zunächst gültig bis 2017 wurde vereinbart, dass der Bund sich an Kosten Berlins für Sicherheitsaufgaben, aber auch an wichtigen Kulturprojekten beteiligt. Denkbar ist, dass nach 2017 sowohl der finanzielle Beitrag als auch der Einfluss des Bundes im Land Berlin weiter anwächst. Die Chancen, diesem Schick-sal durch eine Länderfusion zu entgehen, sind inzwischen denkbar gering: Nach Vorstellungen Nußbaums müsste auch im Falle einer Fusion der Bund 30 der 63 Milliarden Euro Berliner Schulden übernehmen, damit die Stadt über die Runden kommt. Dabei stellt sich die Frage, was den Bund zu einem derartigen Schritt bewegen sollte – bei eigenen leeren Kassen und ohne Berliner Gegenleistung.

Ebenso fraglich sieht es bei der Zustimmung Brandenburgs aus. Gescheitert ist die Fusion im Jahre 1996 nicht zuletzt an der Furcht vieler Brandenburger vor den Schulden der deutschen Hauptstadt. Die betrugen damals 24 Milliarden Euro – inzwischen ist es fast das Dreifache.

Vorteile, die es rechtfertigen würden, sich den Berliner Schuldenberg zusätzlich zu den eigenen Schulden aufzuhalsen, sind derzeit noch weniger als 1996 erkennbar: Nach der gescheiterten Länderfusion haben Dutzende Staatsverträge und Verwaltungsvereinbarungen dazu geführt, dass Berlin und Brandenburg intensiver miteinander kooperieren als alle andere Bundesländer. Was zwischen den beiden Ländern zu regeln war, wurde inzwischen weitgehend geregelt. Da verwundert es kaum, dass Brandenburgs SPD einen weiteren Fusionsanlauf vor 2030 bereits ausgeschlossen hat. Gut beraten wäre die Regierung in Potsdam allerdings, sich beizeiten auch schon über andere zukünftige Fusionspartner wie Mecklenburg-Vorpommern oder Sachsen-Anhalt Gedanken zu machen, falls Berlin tatsächlich eines Tages finanziell vollständig unter die Fittiche des Bundes schlüpfen muss.   Norman Hanert


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