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28.07.12 / Nebenjob dringend gesucht / Kürzungen des Realeinkommens zwingen immer mehr Polizisten, Geld dazu zu verdienen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 30-12 vom 28. Juli 2012

Nebenjob dringend gesucht
Kürzungen des Realeinkommens zwingen immer mehr Polizisten, Geld dazu zu verdienen

In Deutschlands Großstädten wie Berlin, Frankfurt am Main oder München sind immer mehr Vollzugsbeamte gezwungen, einer Nebentätigkeit nachzugehen. Den von den Bundesländern bezahlten Ordnungshütern bleibt wegen Einsparungen seitens der jeweiligen Landespolitik immer weniger Netto von ihrem Sold.

Gewerkschafter beklagen reale Lohnkürzungen bei Polizisten bereits seit Jahren, doch jetzt beschleunigt sich das Problem: Eine kleine Anfrage der CDU in der Hamburgischen Bürgerschaft ergab, wie umfangreich Polizisten nebenbei beschäftigt sind. Jeder siebte hat in der Hansestadt inzwischen einen Nebenjob. Vor zwei Jahren war es demnach erst jeder zehnte. Insgesamt 750 Beamte arbeiteten 2010 nebenher, jetzt sind es mehr als 1200. Innenpolitiker Karl-Heinz Warnholz sieht eine „Diskrepanz zwischen Besoldung und gestiegenen Lebenshaltungskosten“. Eine ledige, 23 Jahre alte Polizeimeisterin, die sich nach dem Abitur für den mittleren Dienst bei der Schutzpolizei entschieden hat, verdient laut Hamburger Polizeipressestelle knapp 2000 Euro netto im Monat. Da Beförderungen aber massiv zurück-gegangen sind, ist das Gehalt 15 Jahre später nicht viel höher. Daher: „Hamburg ist, was die Zunahmen der Nebenjobs anbelangt, kein Einzelfall“, sagt Rüdiger Holececk, Sprecher der Gewerkschaft der Polizei (GdP).

In den Ballungsgebieten tätige Beamte treten demnach verstärkt an die Landesverbände der GdP heran und bitten um Hilfe bei der Suche nach bezahlbarem Wohnraum. „Dabei haben die Polizisten keine Wahl – sie müssen die ersten Jahre ihres Dienstes in der Großstadt ausüben, in manchen Orten wie Frankfurt am Main auch länger“, so Holececk, denn „Fakt ist, gerade die gestiegenen Mieten machen den Kollegen in den Ballungsräumen ziemlich zu schaffen.“ Der Zwang zur Nebentätigkeit betrifft nach seiner Erfahrung alle Besoldungsgruppen: „In Berlin haben Polizisten bis zu 400 Euro weniger zur Verfügung als in Nordrhein-Westfalen oder Baden-Württemberg.“ Nun verweist CDU-Politiker Warnholz auf die Ortszuschläge als Lösung, doch die „sind lächerlich, reichen bei Weitem nicht“, sagt Rainer Wendt, Bundesvorsitzender der Deutschen Polzeigewerkschaft DpolG. Wendt fordert: „Die Beamten sollten sich ganz auf die Polizeiarbeit konzentrieren können.“ Das wird grundsätzlich schwerer: Waren 1998 rund 870 von gut 27000 Beamten in Vollzug und Verwaltung Berlins betroffen, so gingen 2008 schon 1000 nebenher arbeiten. Viele Stellen sind seither gestrichen worden, neuere Zahlen liegen nicht vor. Die Dunkelziffer nicht genehmigter Fälle vermag kaum einer zu schätzen.

Ob ein Polizist einen Nebenjob ausüben darf, prüfen die Bundesländer stets im Einzelfall. Taxifahren, als Türsteher arbeiten oder Kellnern geht prinzipiell nicht, auch Sicherheitsdiensten dürfen die Polizisten nicht ihr Können anbieten – „das ginge in die Nähe von Geheimnisverrat“, so Wendt. Lehrtätigkeiten sind indes erlaubt, so zur Verkehrsunfallverhinderung. Diese Art Nebenberuf ist auch nach den aktuellen Erkenntnissen aus Hamburg die beliebteste. Die Genehmigung des Dienst-herrn ist dann je auf zwei Jahre befristet. „Der Grund fürs Arbeiten ist indes immer derselbe, viele Kollegen kommen beruflich nicht weiter“, so Wendt. Stellen wurden gekürzt, Beförderungen gestrichen. Wo einst freie Heilvorsorge galt, müssen zudem gerade Polizisten heute teure Krankenversicherungen selbst zahlen. „Das sind schon mal 70 Euro weniger im Portemonnaie im Monat“, sagt der seit 1973 aktiv im Dienst tätige Wendt. Seine Forderung lautet: „Wir brauchen eigentlich einen Rettungsschirm für die Polizei!“ Sverre Gutschmidt


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