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04.08.12 / Der Druck nimmt zu / Fasten wird in der Türkei immer mehr zum gesellschaftlichem Muss

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 31-12 vom 04. August 2012

Der Druck nimmt zu
Fasten wird in der Türkei immer mehr zum gesellschaftlichem Muss

In der Türkei nimmt seit Jahren der öffentliche Nachbarschaftsdruck zu, infolge dessen steigt auch der Druck, das Fasten und das anschließende Fastenbrechen in der Öffentlichkeit zu vollziehen. So werden in der Türkei während des Ramadans immer mehr weltliche Veranstaltungen, vor allem wenn sie mit der Einnahme von Essen oder Trinken verbunden sind, abgesetzt, in diesem Jahr traf es das Festival der Bilgi Universität.

Der Vorsitzende des Diyanet, der türkischen Religionsbehörde, Mehmet Görmez, verkündete vor dem Ramadan, dass Festivals oder Unterhaltungsprogramme im Ramadan nichts zu suchen hätten. Görmez kritisierte aber auch das übermäßige Schlemmen während den Iftar Essen, nach dem Ende des Fastens am Abend, wo jetzt in manchen islamischen Regionen, drei bis vier Mahlzeiten in sechs Stunden zu sich genommen werden. So absurd es klingt, die Fastenzeit ist in den islamischen Ländern eigentlich zu einer Zeit des übermäßigen Essens geworden, entsprechend viele Magendurchbrüche sind die medizinischen Folgen.

Die Türkei ist zu einer riesigen Überwachungsanstalt geworden, so der namhafte türkische Soziologe Serif Mardin. Er hat den Begriff des „Nachbarschaftsdrucks“ (mahalle baskisi) in den öffentlichen Diskurs eingeführt. Der Begriff drückt die Befürchtung aus, dass ein vom unmittelbaren sozialen Umfeld ausgehender Druck auf ein Individuum so stark werden kann, dass es nicht nur in seiner freien Entfaltung beeinträchtigt wird, sondern sich wohl oder übel dem Druck ergibt, um der Gefahr eines Ausschlusses aus dem Kollektiv entgegenzusteuern.

Infolge dieses Druckes fällt der türkische Alltag zunehmend „merkwürdigen“ Wandlungen anheim. In verschiedenen Stadtteilen von Istanbul, die von der AKP von Premier Erdogan regiert werden, sind während den Fastenzeiten im Ramadan kaum noch offene Läden zu finden, obwohl es auch in der Türkei noch kein Gesetz gibt, das Essen während der Fastenzeit verbietet. Viele Laden- und Imbissbesitzer tun allerdings schon so, als gäbe es dieses Gesetz bereits.

Auch der Druck auf Touristen in der Türkei wird immer größer. Selbst in Touristenorten wird man immer mehr schief angeguckt, wenn man im Ramadan auf der Straße „demonstrativ“ zeigt, dass einem das Fasten eines größeren Teils der Bevölkerung nicht interessiert. In den Dörfern kann es passieren, dass „Fastenbrechern“, auch wenn sie gar keine Muslime sind, schon mit handfesteren Methoden gezeigt wird, was „Einheitlichkeit“ im Islam bedeutet. Nur die Aleviten, zu denen fast 30 Prozent aller Türken gehören, fasten im Allgemeinen nicht im Ramadan und sind auch sonst viel liberaler eingestellt. B.B.


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