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04.08.12 / Schäuble auf Beutezug / Finanzminister erschließt immer neue Einnahmequellen – Steuergerechtigkeit nicht mal vorgetäuscht

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 31-12 vom 04. August 2012

Schäuble auf Beutezug
Finanzminister erschließt immer neue Einnahmequellen – Steuergerechtigkeit nicht mal vorgetäuscht

Trotz sprudelnder Steuereinnahmen steigt die deutsche Staatsverschuldung weiter an, und Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) nimmt daher immer neue Einnahmequellen ins Visier. Zudem steht im Bundesfinanzministerium ein Experte bereit, der sich schon einmal über die Enteignung von Sparvermögen Gedanken gemacht hat.

Zumindest auf einem offiziellen Kalender wird man den 8. Juli 2012 nicht als Feiertag finden. Es ist der Bund der Steuerzahler, der jährlich mit seinem „Steuerzah-lergedenktag“ daran erinnert, bis zu welchem Tag des Jahres die Bürger rein rechnerisch nur für den Staat gearbeitet haben. In diesem Jahr war der Zeitraum zwei Tage länger als 2011, ganze sieben Tage mehr als im Jahr 2010. Entsprechend groß sind auch die Steuereinnahmen von Bund und Ländern. Allein im ersten Halbjahr sind die Einnahmen bereits um 4,4 Prozent gestiegen.

Schaut man sich die jüngsten Aktivitäten der Finanzämter und neue Steuerpläne aus Schäubles Ministerium an, dann scheint dies aber immer noch nicht genug zu sein. Eher hat es sogar den Anschein, dass im Finanzministerium ein regelrechter Ideenwettbewerb zur Erschließung neuer Einnahmequellen ausgebrochen ist. In den Blick geraten ist etwa der Selbstbehalt bei Kfz-Haftpflichtversicherungen, der von gewerblichen Flottenbetreibern genutzt wird. Die Versicherungssteuer soll künftig nicht nur auf die Haftpflichtprämie gezahlt werden, sondern im Schadensfall auch auf die Selbstbeteiligung. Der nächste Schritt dürfte absehbar sein: eine Steuerpflicht bei den Selbstbehaltregelungen für Kasko-Versicherungen und bei Krankenkassen – der „Steuergerechtigkeit“ wegen.

Bereits im kommenden Jahr will Schäuble Freiwillige zur Kasse bitten, die sich zum Wehrdienst oder zum Bundesfreiwilligendienst melden. Die Besteuerung der ohnehin kargen Vergütung trifft auf den Widerstand von Schäubles Kabinettskollegen Thomas de Maizière (CDU) und Kristina Schröder (CDU). Die zusätzlichen Einnahmen werden für das Jahr 2013 lediglich auf zehn Millionen Euro geschätzt, dafür dürfte aber die Zahl der Freiwilligen weiter schrumpfen.

Ähnlich kontraproduktiv ist das Signal, das von einem aktuellen Streit zwischen dem Fiskus und einem sächsischen Bäckermeister ausging. Für altes Brot, das er für Obdachlosen-Tafeln gespendet hatte, sollten 5000 Euro Steuern nachgezahlt werden. Handhabe war eine Formalie des Umsatzsteuerrechts, nach der für Sachspenden Umsatzsteuer anfällt. Wäre das unverkaufte Brot auf dem Müll gelandet, statt an sozial Schwache gespendet zu werden, hätte alles seine Ordnung gehabt – zumindest steuerrechtlich. Inzwischen lenkte die Finanzverwaltung ein und setzte fest, dass Lebensmittel, deren Haltbarkeit abläuft, einen Wert von null Euro haben, so dass keine Umsatzsteuer anfällt.

Begleitet wird die Suche nach neuen Besteuerungsmöglichkeiten von aktuellen Rekordeinnahmen der öffentlichen Hand. Steuerschätzer rechnen für dieses Jahr mit Gesamteinnahmen von 596,5 Milliarden Euro bei Bund, Ländern und Kommunen.

Paradoxerweise gehen die steigenden Steuereinnahmen einher mit einer steigenden Neuverschuldung. Im vergangenen Jahr wurden dank einer guten Konjunkturlage vom Bund netto „nur“ 17,3 Milliarden Euro neue Kredite aufgenommen. Trotz höherer Einnahmen sollen es dieses Jahr aber 34,8 Milliarden Euro neue Kredite sein. Zumindest, wenn sich der im Juni beschlossene Nachtragshaushalt nicht als komplette Makulatur entpuppt.

Tatsächlich scheint dies aber genau Realität zu werden. Die erste Überweisung an den Euro-Rettungsfonds ESM über fast neun Milliarden Euro ist zwar einkalkuliert, nicht aber, was an weiteren Belastungen bereits jetzt absehbar ist. Regelrecht erkauft wurde etwa die Zustimmung von SPD und Grünen zu ESM und Fiskalpakt. Erwartete Kosten: mehr als vier Milliarden Euro, die teilweise bereits im laufenden Jahr fällig werden. Ebenso unberücksichtigt ist das jüngste Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu den Leistungen für Asylbewerber. Geschätzte Mehrkosten: weit über 200 Millionen Euro jährlich. Die Summen werden zweifellos über Steuern oder neue Kredite eingetrieben werden statt über Einsparungen. Sollten eingegangene Risiken und Bürgschaften für die Versuche zur Rettung des Euro eines Tages aber fällig werden, dann dürfte auch die bisherige Fiskalpolitik mit ihrem Latein am Ende sein.

Von der Öffentlichkeit kaum zur Kenntnis genommen sitzt seit vergangenem Jahr im Bundesfinanzministerium jemand, der sich schon einmal über eine „Große Lösung“ Gedanken gemacht hat. Statt auf hausinterne Beamte zurückzugreifen, hat Schäuble Ende 2011 Levin Holle, einen Quereinsteiger, zum Leiter der wichtigen Abteilung „Finanzmarktpolitik“ ernannt.

Holle war seit dem Jahr 2007 Leiter des Berliner Büros der Boston Consulting Group (BCG), die sich auf die Beratung öffentlicher Auftraggeber spezialisiert hat. Noch unter der Leitung Holles war bei der BCG eine aufschlussreiche Studie mit Vorschlägen zur Bekämpfung der Euro-Krise entstanden.

Vorgeschlagen wurde nichts anderes als die Teilenteignung privater Sparvermögen. Der Studie zufolge sind in der gesamten Euro-Zone 18 Billionen Euro an Sparvermögen vorhanden. Um die Verschuldung der Staaten auf ein tragfähiges Niveau von 60 Prozent der Wirtschaftsleistung zu bringen, sollten mit Hilfe einer einmaligen Besteuerung privater Vermögen europaweit sechs Billionen Euro in die Staatskassen fließen, so die Idee der BCG. Norman Hanert


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