© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 31-12 vom 04. August 2012

Kein Thema mehr
von Jan Heitmann

Horst Seehofers Antrittsbesuch als Bundesratspräsident in Polen war ein Auftritt der diplomatisch-leisen Töne. Viele lobende Worte für die Reformen im Nachbarland und Allgemeinplätze zur europäischen Integration und Solidarität. Das mag daran liegen, dass Seehofer nicht als bayerischer Regierungschef, sondern als Bundesratspräsident unterwegs war, weshalb er sich eine gewisse staatsmännische Zurückhaltung auferlegt und zu Konfliktthemen geschwiegen haben mag. Nachdem Seehofer vor zwei Jahren bereits das Versprechen aller seiner Vorgänger im Amt des bayerischen Ministerpräsidenten gebrochen hat, erst dann nach Tschechien zu reisen, wenn Prag sich von der Vertreibung distanziert und die Benesch-Dekrete aufgehoben hat, waren Forderungen oder programmatische Aussagen zur Vertriebenenproblematik allerdings auch nicht zu erwarten. In Warschau erinnerte er zwar an die Untaten des NS-Regimes, verlor jedoch kein Wort über die von Polen verantworteten Opfer von Flucht und Vertreibung. Diese und ihre Anliegen sind, allen gegenteiligen Bekundungen und Pflichten zum Trotz, auch für Seehofer offensichtlich nur noch ein Thema für Historiker, nicht jedoch eines für deutsche Politiker.