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04.08.12 / Streben nach Höherem / Biografie erzählt vom unterschiedlichen Leben der Taut-Brüder

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 31-12 vom 04. August 2012

Streben nach Höherem
Biografie erzählt vom unterschiedlichen Leben der Taut-Brüder

Die Bauten der Architekten Bruno und Max Taut aus Königsberg haben die Kriegsjahre größtenteils überdauert und zeugen von der Eigenart und dem reformatorischen Gestaltungswillen ihrer Urheber. Für Berlin ist die kulturhistorische Bedeutung besonders hoch einzuschätzen. Seit Anfang des 20. Jahrhunderts trugen die Brüder Taut mit ihren Arbeiten zur Ausprägung der Stilrichtung „Neues Bauen“ bei. Bruno (1880-1938) wirkte neben Mies van der Rohe und anderen in den 1920er Jahren wegweisend für den Bau von Großsiedlungen und modernen Wohnungen, während Max (1884-1967) Schulen, repräsentative Bürohäuser und ebenfalls Wohnsiedlungen schuf. Beide zählen zur hochkarätigen Riege der deutschen Architekturmoderne, der seinerzeit international hohe Wertschätzung zuteil wurde. Die Autorin und Journalistin Gunda Hörner hat in ihrer Doppelbiografie mit dem Titel „Die Architekten Bruno und Max Taut. Zwei Brüder – zwei Lebenswege“ die nicht zu unterschätzende Aufgabe bewältigt, das bewegte Leben der beiden Künstlerpersönlichkeiten nachzuerzählen und einen Überblick über ihr Schaffen zuwege zu bringen. Das Ergebnis ist eine prallvolle, abwechslungsreiche Lektüre, in der sich der Blick auch immer wieder in die Gegenwart richtet, um etwa über den heutigen Zustand der Bauwerke zu berichten. Hörner konnte aus Briefen, Tagebüchern, Archivmaterial und nicht zuletzt aus der reichhaltigen Literatur Material schöpfen. Bruno Taut selbst verfasste als Theoretiker der Architekturlehre zahlreiche Schriften. Ausgestattet ist der Band mit zahlreichen, teils bisher unveröffentlichten Fotos. Bedauerlich ist das fast vollständige Fehlen von professioneller Architekturfotografie und Luftbildern, etwa um die riesige Berlin-Britzer Hufeisensiedlung abzubilden. Bruno Taut brachte die Farbe als Gestaltungselement in das Stadtbild; insofern vermisst man auch farbige Architekturfotos. Ebenso wie die Hufeisensiedlung von 1925, deren Planung auf den ebenfalls aus Königsberg stammenden Berliner Baustadtrat Martin Wagner zurück geht, wurden fünf weitere, von Bruno Taut maßgeblich beeinflusste und mit entworfene Berliner Großsiedlungen der Klassischen Moderne, zum Beispiel am Schillerpark im Wedding, 2008 in die Liste des Unesco-Welterbes eingetragen. Übergangen wurde die Waldsiedlung „Onkel Toms Hütte“ in Zehlendorf, die als Projekt der Gehag (Gemeinnützige Heimstätten-, Spar- und Bau-Aktiengesellschaft) konzipiert wurde. Großprojekte des Sozialen Wohnungsbaus wie diese entstanden im Zuge der wirtschaftlichen Erholung nach der Inflation.

Im bürgerlichen Königsberger Stadtteil Sackheim wuchsen die Söhne des Handelsvertreters Richard Taut und seiner Frau Auguste in ziemlich ärmlichen Verhältnissen auf. Max Taut trat 1899 bei einem renommierten Königsberger Holzunternehmen eine Lehre als Zimmermann an, während Bruno bis 1901 an der städtischen Baugewerkschule studierte. Anschließend war er in Altona und Wiesbaden tätig, wo immer noch das historisierende Bauen dominierte, das die Taut-Brüder wie viele andere verabscheuten. 1904 erhielt er eine Stelle in Stuttgart im Büro von Theodor Fischer, einem der anerkanntesten Entwerfer seiner Zeit und Mitbegründer des Deutschen Werkbunds. Um diese Zeit heirateten Max und Bruno zwei Schwestern aus Chorin bei Eberswalde, deren Eltern die Choriner Klosterschänke führten, wo sich Studenten und Künstler trafen. Nur die Ehe von Max sollte Bestand haben. Gunda Hörner beleuchtet in ihrem Buch die unterschiedlichen Charaktere der „Bruder-Kollegen“ und erzählt eingehend von den familiären Verhältnissen. Gemeinsam war ihnen neben dem Fleiß das Streben nach Höherem. 1909 eröffnete Bruno Taut mit Franz Hoffmann in Berlin am Potsdamer Platz die Architektengemeinschaft „Taut & Hoffmann“, wo zeitweise bis zu 37 Mitarbeiter beschäftigt waren. Auch Max Taut, der seit 1911 selbstständig arbeitete, war von 1924 bis 1931 bei „Taut & Hoffmann“ tätig. Mit Beginn der Weltwirtschaftskrise im Oktober 1929 endete die auftragsreiche Zeit der „fünf fetten Jahre“. Als Sozialist wandte Bruno Deutschland 1932 den Rücken und ging nach Moskau, war seit 1933 in Japan tätig und von 1936 bis zu seinem Tod 1938 an der türkischen Kunstakademie in Istanbul. Nach dem Krieg machte Max Taut Karriere als Hochschullehrer, Stadtplaner in West-Berlin und Erbauer großer Wohnsiedlungen in Bonn und Duisburg. 1980 ehrte die Akademie der Künste die Architekten Bruno und Max Taut postum mit Ausstellungen über ihr Lebenswerk. Dagmar Jestrzemski

Gunda Hörner: „Die Architekten Bruno und Max Taut. Zwei Brüder – zwei Lebensläufe“, Mann Verlag, Berlin 2012, geb., 216 Seiten, 29 Euro


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