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04.08.12 / Nicht ohne Einfluss / Wie Bürger in Preußen indirekt mitregierten

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 31-12 vom 04. August 2012

Nicht ohne Einfluss
Wie Bürger in Preußen indirekt mitregierten

Bis heute wird in der einschlägigen Literatur der Anschein erweckt, als ob in der frühen preußischen Monarchie die wichtigsten innenpolitischen Entscheidungen allein vom König getroffen oder allenfalls von einem seiner Minister vorbereitet worden wären. Doch auch Kaufleute, Reeder und Räte hatten ebenfalls einen wesentlichen Anteil und trugen so zum wirtschaftlichen Aufschwung der preußischen Monarchie ausgangs des 18. Jahrhunderts und damit mittel- und unmittelbar zu den Erfolg bringenden Reformen des frühen 19. Jahrhunderts bei.

Rolf Straubel, habilitierter Historiker am brandenburgischen Landeshauptarchiv, geht in der wissenschaftlichen Monographie am Beispiel ausgewählter Personen den Handlungsspielräumen nach, welche hohe Beamte sowie Kaufleute und Unternehmer im frühen preußischen Staat besaßen. Er zeigt ebenso verschiedene Aspekte und Entwicklungslinien der preußischen Wirtschafts-, Sozial- und Verwaltungsgeschichte, bereichert – dank der guten Quellenlage –mit präzisen Detaildarstellungen aus Korrespondenzen, amtseitigen Berichten sowie Anordnungen.

Es handelt sich um eine wissenschaftliche Arbeit, welche überwiegend auf bisher nicht publiziertem Aktenmaterial aus dem Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz in Berlin-Dahlem gründet. Im Mittelpunkt stehen dabei der aus dem ostpreußischen Tilsit stammende Finanzrat Friedrich Wilhelm Tarrach (1718–1782) sowie der Memeler Kaufmann Johann Simpson der Jüngere (1737–1811). Beide Lebensläufe werden verfolgt, die beruflichen und persönlichen Kontakte umrissen sowie ihre Ambitionen aufgezeigt. So entstammte Simpson einer seit Generationen in Memel ansässigen, einflussreichen Familie, die zum Aufstieg der Stadt zu einem der wichtigsten preußischen Handels-plätze an der Ostsee beitrug, was nur im Gefolge eines innerstädtischen Verdrängungswettbewerbes möglich war. In seiner 2003 veröffentlichen Studie „Die Handelsstädte Königsberg und Memel in friderizianischer Zeit“ hat der Autor diesen Prozess bereits beleuchtet. Durch seine freimaurerischen Kontakte wurde Simpson zu einem gefragten Gesprächspartner für hohe Königsberger und Berliner Beamte und erlangte eine weit über Memel hinausgehende Bedeutung. Tarrach wiederum avancierte in den späten 1770er Jahren zu einem wichtigen wirtschaftspolitischen Berater des großen Königs.

Die Lektüre gibt interessante Einblicke in die städtischen Belange Memels im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts, in die Konflikte zwischen Memel und Königsberg, in die Auseinandersetzungen unter den ostpreußischen Kaufleuten, verdeutlicht die Mechanismen wirtschaftspolitischer Entscheidungen, illustriert das wechselseitige Beziehungsgeflecht zwischen Beamten und Kaufleuten/Unternehmen und zeigt die enge Kooperation zwischen Mitgliedern der Berliner Zentralbehörden (Generaldirektorium) und Potsdamer Kabinettsbeamten auf. Im abschließenden Personenregister wird kontextbezogenen das „who is who“ der friderizianischen Epoche aufgelistet. H.-J. Froese

Rolf Straubel: „Zwischen monarchischer Autokratie und bürgerlichem Emanzipationsstreben. Beamte und Kaufleute als Träger handels- und gewerbepolitischer Veränderungen im friderizianischen Preußen (1740–1806)“, Berliner Wissenschaftsverlag, Berlin 2012, geb., 563 Seiten, 69 Euro


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