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11.08.12 / Die Stunde der Technokraten / Innenministerium will Sicherheitsbehörden an die kurze Leine nehmen – In Hamburg bereits Realität

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 32-12 vom 11. August 2012

Die Stunde der Technokraten
Innenministerium will Sicherheitsbehörden an die kurze Leine nehmen – In Hamburg bereits Realität

Die Auswechslung der kompletten Führungsspitze der Bundespolizei sorgt weiter für Unruhe. Kritiker vermuten, die Bundespolizei und andere Sicherheitsbehörden sollen jetzt durch die Einsetzung der Politik ergebener Beamter an die kurze Leine genommen werden.

Warum der Bundespolizeichef und seine beiden Stellvertreter in die Wüste geschickt wurden, wissen sie wohl bis heute nicht. Was an Kritik an ihrer Amtsführung aus dem Ministerium zu hören ist, kann getrost als der untaugliche Versuch, die unpopuläre Personalmaßnahme im Nachhinein zu rechtfertigen, verbucht werden. Fachliche Mängel dürften kaum dahinterstecken, denn alle drei gelten als hoch qualifiziert, erfahren und untadelig. An ihrer Stelle sollen jetzt als unbedingt loyal und durchsetzungsfähig geltende Beamte aus dem Haus von Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich die rund 40000 Bundespolizisten führen.

Kritiker argwöhnen, dass durch die Einsetzung der im Apparat des Innenministeriums verwurzelten Technokraten dessen Einfluss auf die Bundespolizei deutlich gestärkt werden soll. Dazu passen auch die bereits vollzogenen und geplanten Personalveränderungen an der Spitze anderer Sicherheitsorgane wie des Verfassungsschutzes und des Bundeskriminalamtes (BKA). Das Vorgehen des Ministers lässt eine gewisse Systematik erkennen. Mit neuen, vertrauten Leuten an der Spitze lassen sich umstrittene Reformvorhaben wie die Fusion von Bundespolizei und BKA, vor noch gar nicht langer Zeit von Friedrich selbst vom Tisch gefegt und nun plötzlich wieder im Gespräch, reibungsloser durchführen. Denn Widerstand aus den Führungsetagen der betroffenen Behörden ist jetzt nicht mehr zu erwarten. Dass Reformen durchaus sinnvoll wären, wird im Grundsatz nicht einmal von Friedrichs Kritikern bestritten. Doch sein rücksichtsloses Bestreben, Stärke zu demonstrieren und als zentraler Akteur durch Einschränkung der Autonomie der Behörden mehr Macht und Kontrolle über den Sicherheitsapparat zu erlangen, führt zu Ablehnung und könnte sich letztendlich sogar als Schwäche des Ministers erweisen.

Dass die Befürchtungen seiner Kritiker nicht unberechtigt sind, zeigt ein Blick nach Hamburg, wo sich in den vergangen Monaten Ähnliches abgespielt hat. Es kommt selten vor, dass die konservative Deutsche Polizeigewerkschaft und ihr eher linkes Pendant, die Gewerkschaft der Polizei, einer Meinung sind. Doch als es Anfang des Jahres um die Ablösung des Hamburger Polizeipräsidenten Werner Jantosch ging, waren sie sich einig: „Unbegründet, inakzeptabel, politische Willkür, unwürdig“. Ähnlich wie im Fall Seeger erfolgte die Versetzung in den Ruhestand ohne Vorwarnung und unter Umständen, die nicht nur der Betroffene selbst als entehrend empfunden hat.

Mit mehr als 40 Dienstjahren war Jantosch einer der erfahrensten und profiliertesten Hamburger Polizeibeamten. Er hat alle Ebenen der Polizei durchlaufen und kannte alle Facetten der praktischen Polizeiarbeit. Die Ernennung zum Polizeipräsidenten durch den CDU-Senat im Jahre 2004 krönte seine Laufbahn. Polizeiintern war er wegen seines straffen Führungsstils nicht immer unumstritten, fachlich jedoch stets anerkannt. Und seine Erfolgsbilanz kann sich sehen lassen: Die Zahl der Straftaten sank während seiner Amtszeit von rund 270000 auf unter 230000. Den Regierungswechsel hin zur absoluten Mehrheit der SPD überstand der parteilose Spitzenbeamte zunächst unbeschadet. Doch dann plante Innensenator Michael Neumann, die Polizei so umzustrukturieren, dass seine Behörde den rund 10000 Beamte umfassenden Apparat noch fester in den Griff bekommt. Dabei waren Jantosch und andere bewährte Führungskräfte im Wege und zum Abschuss freigegeben.

Sein Nachfolger wurde Wolfgang Kopitzsch, ein studierter Historiker mit Lehramtsexamen ohne jede Erfahrung in der operativen Polizeiarbeit, dafür aber mit SPD-Parteibuch. Seit 1979 unterrichtete er Gesellschaftswissenschaften und Deutsch an der Landespolizeischule, bevor der Nicht-Polizist 2007 deren Leiter wurde. Von dort wechselte er zwei Jahre später auf den Stuhl des Bezirksamtsleiters Hamburg-Nord. Alles in allem also keine Laufbahn, die ihn für die Polizeispitze qualifiziert. Aber er ist ein seinem Parteichef und Bürgermeister Olaf Scholz treu ergebener Genosse, der alle politischen Vorgaben konsequent umsetzt. Dass ihrem praxisfernen Chef keinerlei Stallgeruch anhaftet, sieht ihm die Basis noch nach, dass er aber den fachlichen Dialog mit ihr verweigert, dagegen nicht. Doch das ficht weder ihn noch den Innensenator an. Kopitzsch bietet den neuen Herren im Rathaus die Garantie dafür, dass ihre Pläne gegen alle Widerstände in der Polizei durchgesetzt werden.

Was bei der Hamburger Polizei bereits Realität ist, könnte jetzt auch auf die Bundespolizei zukommen. Jan Heitmann


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