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11.08.12 / Die Weltmaschine von Genf / Cern: Nach Pannenserie am Anfang jetzt spektakuläre Erfolge

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 32-12 vom 11. August 2012

Die Weltmaschine von Genf
Cern: Nach Pannenserie am Anfang jetzt spektakuläre Erfolge

Die Zahlen sind mehr als eindrucksvoll: 27 Kilometer lang, rund 100 Meter tief unter der Erde, bestückt mit 9600 Magneten, drei Milliarden Euro teuer, jährlicher Energieverbrauch 800 Gigawattstunden (das entspricht dem Stromverbrauch einer mittleren Großstadt).

Die Rede ist vom „Large Hadron Collidor“ (LHC), dem weltweit größten Teilchenbeschleuniger am Europäischen Kernforschungszentrum Cern (Conseil Européen pour la Recherche Nucléaire) in Genf. Die Wissenschaftler erhoffen sich von dieser Anlage eine Bestätigung (oder auch Widerlegung) des sogenannten Standardmodells der Elementarteilchenphysik. Es handelt sich dabei um eine Theorie, die sowohl die bislang bekannten Elementarteilchen als auch die zwischen ihnen herrschenden Kräfte und Wechselwirkungen beschreibt. Sie stützt sich auf die von Werner Heisenberg entwickelte Quantentheorie, ist aber auch mit Albert Einsteins Relativitätstheorie vereinbar.

In dem Ringtunnel, der teils unter Schweizer, teils unter französischem Territorium verläuft, werden Protonen oder Blei-Atomkerne auf nahezu Lichtgeschwindigkeit beschleunigt. Dann lässt man sie an einem der vier Kreuzungspunkte der beiden parallelen Stahlröhren aufeinanderprallen. Die Kollisionstrümmer können mit insgesamt sechs Detektoren aufgespürt und analysiert werden.

Als der LHC am 10. September 2008 erstmals hochgefahren wurde, sahen Kritiker das Ende der Welt nahen. So hatte der deutsche Mediziner und Biochemiker Otto E. Rösler am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte vergeblich versucht, die Inbetriebnahme zu verhindern. Er behauptete, mit dem LHC könnten kleine Schwarze Löcher erzeugt werden, die schließlich anwachsen und die ganze Erde verschlingen könnten. Rösler scheiterte hier ebenso wie mit einer entsprechenden Klage vor dem Bundesverfassungsgericht.

Anfangs scheiterten allerdings auch die Experimente in Genf. Nach nur neun Tagen versagte die Kühlanlage, welche die Magneten auf Minus 271,25 °C herabkühlt. Erst nach einem Jahr konnte der Forschungsbetrieb wieder aufgenommen werden, läuft seither allerdings weitgehend störungsfrei. Auch zeigten sich weder Schwarze Löcher noch sonstige Gefahren, wie sie von Kritikern vorausgesagt worden waren.

Die mutmaßliche Entdeckung des Higgs-Teilchens ist der erste spektakuläre Erfolg der Anlage. Nun konzentrieren sich die Arbeiten darauf, die noch ziemlich rätselhaften Mechanismen des Higgs-Kraftfeldes zu erforschen. Neue Erkenntnisse erhofft man sich bei der Suche nach Dunkler Materie, Dunkler Energie oder Antimaterie. Die Forschungsprogramme sollen voraussichtlich bis 2030 laufen. Für die Zeit danach wird bereits über einen neuen, noch leistungsfähigeren Beschleuniger nachgedacht, diesmal nicht ringförmig, sondern linear. Und natürlich auch noch teurer –inoffiziell ist von zehn Milliarden Euro die Rede. Falls es dann noch Euros gibt. H.J.M.


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