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11.08.12 / Neue Lkw-Maut: Wer zahlt die Zeche? / Ob die zusätzlich geplanten 110 Millionen wirklich in den Straßenbau fließen, ist noch ungewiss

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 32-12 vom 11. August 2012

Neue Lkw-Maut: Wer zahlt die Zeche?
Ob die zusätzlich geplanten 110 Millionen wirklich in den Straßenbau fließen, ist noch ungewiss

Seit dem 1. August wird nicht nur auf Autobahnen, sondern auch auf ausgewählten Bundesstraßen Lkw-Maut kassiert – staatliche Abzockerei oder sinnvolle Verkehrspolitik?

Im Hause von Verkehrsminister Peter Ramsauer klingelt die Kasse: Allein an den ersten zwei Tagen nach der Erweiterung der Lkw-Maut wurden 800000 Euro vereinnahmt. Die Rechnung des Bundesverkehrsministers könnte also aufgehen: Ramsauer will zusätzlich 110 Millionen Euro pro Jahr kassieren. Die Gesamteinnahmen aus der Straßennutzungsgebühr würden damit von 4,5 auf 4,6 Milliarden steigen, ein Plus von nicht einmal 2,5 Prozent.

Erhoben wird die zusätzliche Maut auf 1135 Kilometer Bundesstraße, die mindestens vierspurig ausgebaut, mindestens vier Kilometer lang und an eine Autobahn angebunden sind. Auf diesen Strecken kostet künftig jeder gefahrene Kilometer für einen Lkw mit über zwölf Tonnen zulässiges Gesamtgewicht 19 Cent.

Das gesamte Bundesstraßennetz in Deutschland misst 40700 Kilometer, somit bleiben über 97 Prozent weiterhin mautfrei. Hingegen ist das Autobahnnetz mit 12800 Kilometer Gesamtlänge lückenlos vom Mautsystem erfasst; hier wird mit Hilfe ausgetüftelter elektronischer Messverfahren „Mautprellern“ keine Chance gelassen. Anders auf den neu hinzugekommenen Bundesstraßen. Hier gibt es keine stationären Messbrücken, Fahrer und Speditionsunternehmen sind in die Pflicht genommen. Doch Minister Ramsauer ist zuversichtlich. Man habe ein gut funktionierendes mobiles Kontrollsystem entwickelt und zudem Verstöße mit hohen Bußgeldern bedroht, daher sei er sicher: „Mautpreller fischen wir raus, zum Beispiel mit Mautblitzern.“

Der CSU-Politiker weiß auch schon ganz genau, was er mit dem zusätzlichen Geld anfangen will. Es soll in den Ausbau des Fernstraßennetzes fließen. Fachleute bezweifeln allerdings, dass mit diesen Einnahmen auch nur die durch den zunehmenden Schwerverkehr verursachten Straßen- und Brückenschäden lückenlos behoben werden könnten. Sie befürchten vielmehr, dass auch die Bundesstraßenmaut letztlich dazu dienen soll, Löcher in den eurorettungsgeschädigten Staatskassen zu stopfen.

Dazu macht der „Bundesverband Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung“ (BGL) eine aufschlussreiche Rechnung auf: Insgesamt haben die Transportunternehmen im vergangenen Jahr in Form von Kfz-Steuer, Mineralölsteuer und Autobahnmaut 16 Milliarden Euro in die Staatskasse eingezahlt. Davon flossen aber nur fünf Milliarden zurück in den Bundesfernstraßenbau. Der „Rest“ von immerhin elf Milliarden versickerte in allgemeinen Haushaltslöchern.

Unabhängig davon, wofür der Bundesverkehrsminister das zusätzlich vereinnahmte Geld ausgeben will – die Transportunternehmer wollen es auf keinen Fall aus eigener Tasche berappen, sondern werden es an ihre Kunden weitergeben. Der Paketdienst GLS, Branchendritter in Deutschland, hat bereits angekündigt, wegen des Mautzuschlags die Frachtgebühren ab sofort um einen Cent pro Paket zu erhöhen. Das klingt zunächst einmal bescheiden, ist es dann aber doch nicht: GLS hat im vergangenen Jahr 375 Millionen Pakete befördert, daraus errechnet sich eine Verteuerung von insgesamt 3,75 Millionen Euro für die Kundschaft. Sie trifft in erster Linie die Geschäftskunden, zum Beispiel den Versandhandel. Der aber will auch nicht auf den Zusatzkosten sitzen bleiben und reicht die Rechnung weiter an den Endverbraucher. Der ist dann am Ende wieder einmal der Dumme, der alles zahlen muss.

Massive Kritik erntet Minister Ramsauer aber auch von anderer Seite. In vielen kleineren Städten und Gemeinden befürchten die Anwohner, nun noch stärker durch sogenannte Mautflüchtlinge belastet zu werden – Lastzüge mit bis zu 40 Tonnen, die sich durch enge Dorfstraßen und Wohngebiete quälen, um die Straßenbenutzungsgebühr zu sparen.

Neuerdings haben die lärm- und abgasgeplagten Anwohner der Mautfluchtstrecken ein zusätzliches Argument zur Hand. Sie können sich auf eine Studie der Weltgesundheitsorganisation der Vereinten Nationen (WHO) stützen, in der ohne Einschränkungen und Grenzwerte festgestellt wird, dass Dieselabgase generell stark krebserregend sind.

Zumindest sollte diese Erkenntnis für die Verkehrspolitiker ein Anlass sein, über ein anderes, flächendeckend alle Straßen erfassendes Mautsystem nachzudenken. Denn nur so kann erreicht werden, was durch das jetzige Mautsystem eher verhindert wird: dass der Schwerlast-Verkehr sich wieder dahin verlagert, wo er hingehört – auf die Autobahnen und die gut ausgebauten Bundestraßen ohne Ortsdurchfahrten.

Im Bundesverkehrsministerium aber denkt man in eine andere Richtung. Nach den Lkw sollen nun auch die Fahrer der 43 Millionen in Deutschland zugelassenen Pkw zur Kasse gebeten werden. Das Positive an einer solchen Pkw-Maut wäre, dass sie auch die Millionen ausländischer Fahrer trifft, die das gut ausgebaute deutsche Fernstraßennetz bislang kostenlos benutzen dürfen, während wir in deren Heimatländern selbstverständlich Maut zahlen müssen.

Hingegen ist von den Versprechungen, die deutschen Autohalter könnten ja im Gegenzug bei der Kfz-Steuer entlastet werden, die Pkw-Maut sei also eine Art Nullsummenspiel, nicht viel zu halten. Erstens, weil die EU-Kommission bereits wissen lässt, dass sie ein deutsches Mautsystem wohl als Diskriminierung werten würde (Mautsysteme in Frankreich, Italien oder Österreich merkwürdigerweise aber nicht!). Und zweitens, weil Vater Staat auf eine Einnahmequelle, die er sich einmal erschlossen hat, nach aller Erfahrung nicht mehr verzichtet. Von Ramsauers Mautplänen wird also vermutlich am Ende nicht die Entlastung, sondern nur die Belastung übrigbleiben. Hans-Jürgen Mahlitz


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