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11.08.12 / »Gut trommeln ist mir nützlicher« / Nur selten entsprach Friedrich der Große als Kronprinz den Erwartungen seines Vaters

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 32-12 vom 11. August 2012

»Gut trommeln ist mir nützlicher«
Nur selten entsprach Friedrich der Große als Kronprinz den Erwartungen seines Vaters

Väter und Söhne, das ist ewiger Konflikt, bestimmt von enttäuschten Erwartungen beiderseits. Von nicht erfülltem Anspruch einerseits und nicht erfüllter Liebe andererseits. Von alledem enthält das Verhältnis zwischen Friedrich Wilhelm I. in Preußen und dem Kronprinzen Friedrich ein Übermaß. Dieser Konflikt sprengt in seiner Intensität die gewöhnlichen Dimensionen. Sicher auch, weil daran zumindest eine Ausnahmenpersönlichkeit beteiligt war.

Im Urteil der Gegenwart hat der Vater Friedrich Wilhelm schlechte Karten. Wer „Soldatenkönig“ genannt wird, findet gegenwärtig wenige Verbündete, zumal in einer Gesellschaft, in der mit dem Segen des Bundesverfassungsgerichts das Zitat „Soldaten sind Mörder“ unter dem Schutz der Meinungsfreiheit steht. Daran hat sich auch nichts durch die Einsätze in Bosnien oder Afghanistan geändert. Wenn einer also nicht nur König ist, sondern obendrein auch noch „Soldatenkönig“, dann sind die Rollen klar verteilt. Im Konflikt mit seinem Sohn kann er nichts richtig machen.

Friedrich Wilhelm wird als widersprüchlicher Charakter geschildert – eine Einschätzung, die später auch dem Sohn zuteil wird. Der Vater galt als brutal und des­potisch, als jähzornig, voller Verachtung für die Menschen und doch voller Liebe zu seinem Land, das ihm über alles ging. Unter seiner Regierung verdoppelte sich die Stärke der Armee von 40000 auf 83000 Mann. Diese Zahl ist umso bemerkenswerter, bedenkt man, dass Preußen zu dieser Zeit etwa 2,25 Millionen Bewohner hatte. Das Militär verschlang mehr als zwei Drittel der Staatseinnahmen, während der reduzierte und überaus bescheiden geführte Hofstaat mit gerade mal einem Prozent auskam.

Der Vater von rauem Charakter, anspruchslos und ziemlich derb, der Sohn von zartem Körperbau mit einer eher schwächlichen Konstitution, da waren die Probleme vorgezeichnet. Der kleine Fritz gefiel den Damen. Sie hatten Freude an dem lebhaften Prinzen. Als er sechs Jahre alt war, schwärmte seine Erzieherin Frau von Sacetot: „C’est un esprit angélique“ (Er besitzt einen engelhaften Verstand). Den Vater entzück-ten diese engelhaften Züge weitaus weniger. Das verschlossen wirkende Wesen des Sohnes war ihm selten Anlass zur Freude. Zu den Ausnahmen gehört diese Szene: Der kleine Fritz hatte eine Trommel geschenkt bekommen, die er kräftig bearbeitete. Der andauernde Lärm nervte seine drei Jahre ältere Schwester Wilhelmine. Sie versuchte ihn abzulenken und bat ihn, den Puppenwagen zu ziehen oder mit ihren Blumen zu spielen. Dazu hatte der Junge jedoch durchaus keine Lust. Er antwortete: „Gut trommeln ist mir nützlicher als spielen und lieber als Blumen.“ Diese Worte wurden umgehend dem König zugetragen, der darin eine bislang nicht erkannte Zuneigung zum Militärischen ausmachte. Der ausnahmsweise einmal glückliche und stolze Vater beauftragte den Hofmaler Antoine Pesne, den Prinzen mitsamt Trommel zu malen.

Zwei Personen hatten maßgeblichen Anteil an der frühen Erziehung des jungen Prinzen: die Gouvernante Madame Marte du Vale de Rocuelle und Jacques Egide Duhan de Jandun. Die Gouvernante war als Flüchtling aus Frankreich nach Preußen gekommen. Obgleich sie dort schon über 30 Jahre lebte, sprach sie nicht ein Wort Deutsch. Friedrich hing sehr an ihr. Er nannte sie „la chère bonne manman“.

Duhan war ebenfalls als Flüchtling aus Frankreich gekommen. Er hatte 1715 an der Belagerung von Stralsund teilgenommen und war dabei Friedrich Wilhelm durch seine Kühnheit aufgefallen. Der König machte ihn zum Erzieher seines Sohnes. Duhan vermittelte allerdings weitaus weniger militärisches Denken, als der König erwartet hatte. Kunst und Wissenschaft waren sein wahres Anliegen, und damit machte er den Prinzen vertraut, vor allem mit der Antike.

Selbstverständlich blieb es dem König nicht verborgen, dass die Entwicklung des Prinzen nicht so verlief, wie er es wünschte und erwartete. Als Friedrich sechs Jahre alt war, machte der Vater Schluss mit dem, wie er es nannte, „Weiberregiment“. Er setzte in der künftigen Entwicklung seines Sohnes auf zwei Offiziere, Graf Albrecht Konrad Finck von Finckenstein und Wilhelm von Kalckstein. Obwohl sie dies Amt bis 1729 ausübten, also über zehn Jahre, entwickelte sich keine enge Bindung.

Als Erziehungsziele legte der König fest: Der Prinz solle ein frommer Christ, ein „guter Wirt“ und ein tapferer Soldat werden. Dazu wurde im Detail ausgeführt: Die Gottesfurcht „bei großen Fürsten, welche kein menschliches Gericht Strafen und Belohnung erkennen“, stehe vor allem. Zur persönlichen Frömmigkeit gehöre auch ein Gott „wohlgefälliger Lebenswandel“, wozu auch der Verzicht auf „Opern, Comödien und andere weltliche Eitelkeiten“ zu rechnen seien.

Zur Ausbildung zum Soldaten ordnete der König an: „Die Erzieher haben sich angelegen sein zu lassen, Meinem Sohne die wahre Liebe zum Soldatenstande einzuprägen, und ihm zu imprimieren, dass gleichwie nichts in der Welt, was einem Prinzen Ruhm und Ehre zu geben vermag, als der Degen, er vor der Welt ein verachteter Mensch sein würde, wenn er solchen nicht gleichfalls liebte und die einzige Glorie in demselben suchte.“ Körperliche Ertüchtigung, hart aber nicht überfordernd, sollte ihren Beitrag zu diesem Erziehungsziel leisten.

Auch was der Prinz lernen oder auch nicht lerne solle, legte Fried-rich Wilhelm ausdrücklich fest. Latein solle er auf gar keinen Fall lernen. Auch römische und griechische Geschichte sei zu nichts gut. Bei der deutschen Geschichte reiche es durchaus aus, wenn sie lediglich „überhin“ gelehrt werde. Allein bei den Ereignissen der letzten anderthalb Jahrhunderte solle man etwas genauer hinsehen. Im Deutschen und Französischen solle der Prinz zu einer eleganten Schreibart und einem gewandten mündlichen Ausdruck gefördert werden (was im Fall des Deutschen niemals gelang, Fried-rich hatte die Ausdrucksweise eines Kutschers). Besonderen Wert legte der Vater auf die Unterrichtung in Mathematik, Artilleriewissenschaft, Ökonomie, Geografie und Staatskunde.

Von Einfühlungsvermögen in die vollkommen andere Gedankenwelt des Sohnes zeugt dieser Lehrplan nicht. Friedrich lernte dennoch Latein, heimlich unterrichtet von Duhan. Der Franzose führte ihn in die Welt der Geschichte und der Literatur ein. Gegenspielerin bei der Erziehung des Sohnes war zudem die Königin. Friedrich Wilhelm wusste das und wies die erziehenden Offiziere an: „Und müssen sie ihn (den Sohn) mit der Königin allezeit schrecken mit Mir aber niemahlen.“

Freude am Sohn konnte der König nur an den Fortschritten bei der Erziehung zum Soldaten haben. Das schien zu gelingen. Pistolen, kleine Kanonen und Bleisoldaten hatte der Prinz zuhauf. Damit der Kleine sich an den Lärm gewöhnt werde, wurden Kanonen abgefeuert. Mit vier Jahre beherrschte Fritz die 54 Bewegungen des preußischen Exerzierreglements, mit sechs Jahre befehligte er eine eigene Kronprinzliche Kadettenkompanie.

Wie streng die Erziehung war, fiel Außenstehenden auf. So notierte Johann Freiherr von Loen, der Großonkel Goethes, nach einem Besuch in Berlin: „Der König sowohl als auch die Königin halten im übrigen diesen Prinzen unter einer scharfen Zucht, und es sind wohl wenig Königskinder in der Welt, denen so durch den Sinn gefahren und der jugendliche Wille gebeuget wird.“

Der spätere Bruch zwischen Vater und Sohn schien unabwendbar. Klaus J. Groth


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