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11.08.12 / Anarchie als Lösung? / Anthropologe verdammt in einer Streitschrift Schulden – Bizarre Ansichten

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 32-12 vom 11. August 2012

Anarchie als Lösung?
Anthropologe verdammt in einer Streitschrift Schulden – Bizarre Ansichten

Als „Offenbarung“ und „Befreiung“ bezeichnet Frank Schirrmacher, Herausgeber der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“, das Buch „Schulden. Die ersten 5000 Jahre“ des US-Autors David Graeber. Und auch im „Spiegel“, der „Süddeutschen Zeitung“ und der „Welt“ lobte man das Buch, als es noch nicht einmal in deutscher Sprache erschienen war. Derartige Lobeshymnen machen natürlich neugierig, auch wenn ein Blick in die Vita des Autors eher abstößt: Der 1961 in den USA geborene, aus Yale entlassene Anthropologe lehrt derzeit am Goldsmith-College in London, gilt als bekennender Anarchist und als Vordenker der Anti-Banken-Bewegung „Occupy“. Aber aufgrund der aktuellen Schuldenkrise und nach so vielen guten Kritiken scheint die Lektüre ein Muss zu sein.

Doch schon beim Vorwort herrscht Irritation. So regt sich Graeber darüber auf, dass eine Dame ihm bei einer Veranstaltung einfach so ins Gesicht sagte, dass Schulden immer zurückgezahlt werden müssten. Natürlich müssten sie das nicht, so der Autor, der nun anhand eines ausführlichen Blickes in die Menschheitsgeschichte ausführt, warum diese moralisch motivierte Annahme falsch sei. Der Leser wird nun darauf geeicht, dass Geldgeber zumeist böse und Schuldner überwiegend gut seien. Böse Geldverleiher würden natürlich oft dazu neigen, ihre Schuld auf andere abzuladen. Hier nennt Graeber als Beispiel adlige Herren im Mittelalter, die den Juden den schwarzen Peter zuschoben, weil sie ihnen fast alle anderen Berufe untersagten. Bei aller Liebe, aber nach einem Magister in Geschichte und zahlreichen Büchern zum Mittelalter fragt sich die Rezensentin, wann denn die adligen Herren Geldverleiher waren. Die waren doch zumeist die Schuldner bei den Juden, die den Fürsten, Herzögen und Königen ihre Hofhaltung und Kriege finanzierten. Aber gut, Graeber ist der Anthropologe und der Jude und kennt sich vermutlich einfach besser aus als die Verfasserin dieser Zeilen, die sich vielleicht schwerpunktmäßig mit der Neuzeit beschäftigt hat.

Als nächstes mokiert sich Graeber über die Volkswirte, die immer irgendwelche fiktiven Geschichten über Tauschhandel erzählten, um zu begründen, warum Geld besser sei. Immer wieder betont er, dass alte Schriften aus Mesopotamien belegen, dass es damals schon eine Kreditwirtschaft gegeben habe und hält die Tauschhandelsgeschichte für unbelegbar. Vermutlich haben bei ihm schon die Steinzeitmenschen Geld gehabt, das sagt er zwar nicht direkt, deutet es aber an, denn Geld sei vermutlich „so alt wie das menschliche Denken“. Zwar belegt er seine Theorie auch nicht, aber das scheint ihn und all jene Journalisten, die sein Buch über den grünen Klee gelobt haben, nicht zu stören.

Weiter geht es mit der These, Märkte seien durch Kriege entstanden, was natürlich indirekt bedeuten würde, dass Märkte grundsätzlich böse seien. Märkte sollen also durch Kriege entstanden sein und nicht weil die Menschen Orte schufen, an denen sie die Produkte ihrer Arbeitsteilung anbieten konnten? Aber auch bei dieser Theorie belastet Graeber den Leser nicht mit schlüssigen Belegen. So geht das Seite um Seite.

Und während man immer wieder an sich und seinem Weltbild zu zweifeln beginnt, schließlich haben ja so viele schlaue Köpfe dieses Buch gefeiert, erwähnt er ganz nebenbei, dass, als er zwei Jahre in Madagaskar gelebt und dort in einer Gemeinschaft direkte Demokratie praktiziert hat, er das Privileg genoss, ein Interview mit Kalanoro zu führen, einem Geistwesen, das in einer Kiste bei einem lokalen Medium lebte. Leider findet sich keinerlei Hinweis, ob diese Anekdote nun als Witz gemeint ist oder ob der Autor das ernst meint, letzteres würde jedoch einige Thesen im Buch erklären. Allerdings begründet das nicht, warum renommierte Persönlichkeiten wie Frank Schirrmacher das Buch als „Offenbarung“ bezeichnen. Graebers vorletzter Satz in dem Buch besagt, dass niemand das Recht habe, uns zu sagen, was wir wirklich schulden, schließlich würden Schulden versklaven und eine Hierarchie schaffen. Klingt ja hübsch, doch was wäre die Konsequenz von Graebers Forderungen? Unsere Banken leiden schon massiv unter Griechenlands Schuldenschnitt, was auch normale Bürger trifft, deren Gelder und Rentensparverträge bei den von Graeber verfluchten Banken und Versicherungen liegen. Wenn niemand mehr seine Schulden zurück-zahlt, sind auch die Gelder und Renten der kleinen Leute weg. Und woher bekommen die Menschen Geld, wenn sie sich ein Haus bauen wollen. Ach ja, Eigentum wird ja von Graeber verurteilt.

Auf jeden Fall ist dieses Buch keineswegs die von Schirrmacher gelobte „Befreiung“ aus unserer jetzigen Finanzkrise. Wobei nicht Graebers gedanklicher Ausfluss ängstigt, er ist nur ein einzelner Verwirrter, doch was ist bitte mit unseren Geistesgrößen los, wenn sie so ein Buch feiern?

Rebecca Bellano

David Graeber: „Schulden. Die ersten 5000 Jahre“, Klett-Cotta, Stuttgart 2012, gebunden, 536 Seiten, 26,95 Euro


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