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18.08.12 / Mit Deutschland im Herzen die Welt bereist / Seine Kulturskizzen sind eine Fundgrube: Der ostpreußische Reiseschriftsteller Ludwig Passarge starb vor 100 Jahren

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 33-12 vom 18. August 2012

Mit Deutschland im Herzen die Welt bereist
Seine Kulturskizzen sind eine Fundgrube: Der ostpreußische Reiseschriftsteller Ludwig Passarge starb vor 100 Jahren

Er besang als einer der ersten 1866 die Schönheit der Kurischen Nehrung und setzte Danzig ein literarisches Denkmal. Die Erlebnisse des Vielreisenden „Aus den Baltischen Landen“ waren sein größter Erfolg. Noch als Greis tummelte er sich mit Stift und Notizblock auf dem Balkan. Der ostpreußische Schriftsteller und Richter Ludwig Passarge stand in engem Kontakt mit den Schriftstellern E.T.A. Hoffmann und Ernst Wichert. Die deutsche Literatur hat ihm jedoch vor allem Übersetzungen zu danken: der Norweger Ibsen und Björnson und litauischer Volkslieder sowie der Neuübertragungen der Lieder Oswald von Wolkensteins. So sehr der erste „Reisereporter“ Landschaften und ihre Kulturgeschichte literarisch zu inneren Bildern versponn, gibt es von ihm selber offenbar kein Bildnis. Am 19. August ist Passarges Todestag 100 Jahre her.

Allein aus Freude am Sehen und ohne Hoffnung, seine Eindrücke und Erlebnisse anderen mitteilen zu dürfen, würde niemand über das Meer fahren, meinte einst der Mathematiker Blaise Pascal. Wenn diese Behauptung auch eine unzulässige Verallgemeinerung zu sein scheint, so galt sie doch offenkundig für Ludwig, genannt Louis Passarge, einen der bedeutendsten deutschen Landschafts- und Reiseschriftsteller des 19. Jahrhunderts. Am 6. August 1825 wurde Louis Passarge als Sohn des Besitzers von Gut Wolittnick am Frischen Haff unweit Königsberg geboren. Er starb auf einer Reise am 19. August 1912 in Lindenfels im Odenwald.

Louis Passarge war nicht nur ein passionierter Reisender, sondern er hielt unterwegs auch immer Ausschau nach fremdsprachlichen, künstlerisch wertvollen literarischen Werken, um sie ins Deutsche zu übersetzen. Seine Reisebilder und Kulturskizzen sind eine wahre Fundgrube zur Kulturgeschichte Ostpreußens und des Baltikums, Skandinaviens und Südeuropas. Nach Montenegro und Dalmatien reiste er als fast 80-Jähriger und veröffentlichte darüber ein weiteres Buch. Man hat ihn einmal als den ersten Reisereporter bezeichnet, da er über Geschichte, Landschaft, Architektur und Kunst leicht verständlich in einem feuilletonistischen Stil schrieb. Louis Passarge war der erste deutsche Biograf und Herausgeber Henrik Ibsens. Durch seine Übersetzungen von Dramen Ibsens und Björnstjerne Björnsons trug er zur Kenntnis der seinerzeit neuen norwegischen Literatur in Deutschland bei. Weiterhin übertrug er Lieder Oswald von Wolkensteins (um 1377–1445) ins Neuhochdeutsche und übersetzte litauische Volkslieder in die deutsche Sprache, ebenso wie Gedichte des deutsch-litauischen Pfarrers Christian Donalitius, eigentlich Donelaitis (1714–1790) aus Ostpreußen. Der Name Passarge wird übrigens aus dem Lettischen hergeleitet und bedeutet Hirte. Louis Passarges eigene Text- und Versdichtungen sind demgegenüber nicht von besonderer Bedeutung.

Das Gut Wolittnick im Kreis Heiligenbeil nahe dem Frischen Haff war ursprünglich ein Vorwerk des Gutes Weßlienen. Seine Lage zwischen dem Haffberg im Norden und dem Naturpark „Erlengrund“ war günstig, da weiter südlich die kurz nach 1830 erbaute Chaussee nach Königsberg entlang führte. Sehr erbaulich schrieb Louis Passarge über Land und Leute seiner engeren Heimat in dem autobiografischen Werk „Ein ostpreußisches Jugendleben“ (1903), das mit dem Jahr 1847 abschließt. Sein Vater pachtete die Ländereien des Gutes 1820 und erwarb sie 1832 für 11000 Taler aus der Versteigerung des Hauptgutes. 1834 kam der Autor gemeinsam mit seinem Bruder Otto für zwei Jahre nach Heiligenbeil, um dort die Bürgerschule zu besuchen. Nach weiteren zwei Jahren in Wolittnick mit häuslichem Schulunterricht besuchte er sechs Jahre das Collegium Fridericianum in Königsberg. Diesen Lebensabschnitt bezeichnete er als eine dunkle Zeit.

Ab 1844 studierte er Rechtswissenschaften in Heidelberg und Königsberg. 1856 wurde Louis Passarge Kreisrichter in Heiligenbeil und 1872 Appellationsgerichtsrat in Insterburg. Seit 1879 bekleidete er den Posten des Oberlandesgerichtsrats in Königsberg und erhielt den Titel Geheimer Justizrat. 1887 wurde er in den Ruhestand versetzt.

In einem ostpreußischen Gutshaus sah er einmal als Kind ein Bild mit der Beschriftung „Lago di Como“. Es weckte in ihm eine tiefe Sehnsucht, die sonnigen Gegenden des Südens selbst zu sehen, und er wurde fürs Erste ein eifriger Leser. Als 22-jähriger Student stand er im Spätsommer 1847 im Garten der Villa Serbelloni auf der paradiesischen Landzunge des Comer Sees und genoss den Anblick des türkisfarbenen Wassers und der weißen Alpengipfel in der Ferne. In Venedig entdeckte er Manuskripte armenischer Volkslieder mit einer englischen Übersetzung. Einige der schönsten übersetzte er ins Deutsche und veröffentlichte sie später in seinem kurzweiligen Band „Fragmente aus Italien“.

Viele weitere Reisen nach Italien, Spanien und in die skandinavischen Länder schlossen sich an. Louis Passarges persönlich gehaltene Beschreibungen der europäischen Kultur- und Naturschätze bilden gewissermaßen die Fortsetzung seiner Jugendgeschichte. Bereits sein 1857 erschienenes erstes Werk „Aus dem Weichseldelta“ fand großen Anklang. Bewundernd, fast andachtsvoll schrieb er über diese Symphonie von Fluss, Land, Meer und Stadt und erzählte in manchmal geheimnisvollem Ton von der alten Hafenstadt und Handelsmetropole Danzig, ihren uralten Patriziergeschlechtern, von der „Perle“ Oliva und dem Ordensschloss Marienburg.

Einer seiner größten Erfolge war die Sammlung von Reiseeindrücken „Aus baltischen Landen“ (1878). Im Artikel „Eine Wanderung auf der Kurischen Nehrung im Jahre 1868“ schildert er die grandiose Dünenlandschaft und die Lebensgewohnheiten der Bewohner der Kurischen Nehrung und des Samlands. Bald darauf entdeckten nach den Wissenschaftlern und Künstlern auch Badegäste aus dem Reich die einsame Dünenlandschaft der Halbinsel zwischen dem Kurischen Haff und der Ostsee, die bis dahin als Sandwüste verschrien war. In Rudolf Borchardts 1927 erschienenem Klassiker „Der Deutsche in der Landschaft“ steht Passarges Loblied der Dünen neben Texten von Goethe, Kleist, Novalis und Stifter.

Nach seiner Pensionierung lebte der Schriftsteller mit seiner Frau nacheinander in Südtirol, Jena und Wiesbaden. Er unternahm noch mehrere ausgedehnte Reisen. Seine Wander- und Reiselust übertrug sich auf seine Söhne Anton und Siegfried (1866–1958). Letzterer gilt als Begründer der vergleichenden Geografie und wurde noch bekannter als sein Vater. Dagmar Jestrzemski


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