29.03.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
18.08.12 / Der Nachfolger von Hitler und Goebbels / Reichsfinanzminister Johann Ludwig Graf Schwerin von Krosigk war der letzte Regierungschef des Deutschen Reiches

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 33-12 vom 18. August 2012

Der Nachfolger von Hitler und Goebbels
Reichsfinanzminister Johann Ludwig Graf Schwerin von Krosigk war der letzte Regierungschef des Deutschen Reiches

Der letzte Regierungschef des Deutschen Reiches kam vor 125 Jahren, am 22. August 1887, im anhaltinischen Rathmannsdorf als siebtes Kind von Erich von Krosigk und zweites Kind von dessen zweiter Ehefrau Luise Gräfin von Schwerin zur Welt. Anfänglich trug er nur den Nachnamen seines Vaters, doch nach dem Tod der Eltern 1917 beziehungsweise 1920 wurde er 1925 von einem Onkel mütterlicherseits, Alfred Graf von Schwerin, adoptiert und aus Johann Ludwig von Krosigk wurde Johann Ludwig (Lutz) Graf Schwerin von Krosigk.

Nach dem Besuch der Klosterschule im thüringischen Roßleben studierte der Adlige ab 1905 Rechts- und Staatswissenschaften in Halle, Lausanne und Oxford. Mit einem Referendariat in Naumburg begann Krosigks Wirken im preußischen Staatsdienst. Am Ersten Weltkrieg nahm Krosigk als Reserveoffizier des 2. Pommerschen Ulanenregiments teil. Er wurde verwundet und mit dem Eisernen Kreuz ausgezeichnet. Nach dem Krieg heiratete er Ehrengard Freiin von Plettenberg. Das siebte Kind seines Vaters setzte die Familientradition fort und wurde selber Vater von vier Söhnen und fünf Töchtern.

Nach einer kurzen Tätigkeit beim Landratsamt im oberschlesischen Hindenburg wechselte er als Regierungsrat an das Reichsfinanzministerium in Berlin, das Krosigks berufliche Heimat werden sollte. 1922 erfolgte die Beförderung zum Oberrat, zwei Jahre später die zum Ministerialrat. 1929 wurde Krosigk Ministerialdirektor und Leiter der Etatabteilung. Zwei Jahre später kam die Leitung der Reparationsabteilung hinzu.

1932, also noch zur Weimarer Zeit wechselte der Spitzenbeamte in die politische Ebene. Als zuständiger Fachminister übernahm der Graf in Reichskanzler Franz von Papens sogenanntem Kabinett der Barone die Leitung des Hauses, in dem er das Jahrzehnt zuvor eine so steile Karriere hingelegt hatte. Der Wechsel im Reichskanzleramt von Papen zu Kurt von Schleicher ein halbes Jahr später konnte dem Finanzminister nichts anhaben.

Auf ausdrücklichen Wunsch des Reichspräsidenten Paul von Hindenburg blieb Krosigk auch nach der „Machtergreifung“ der Nationalsozialisten im Amt. Allerdings wurde auf Drängen des Reichskanzlers Adolf Hitler sein bisheriger jüdischer Staatssekretär Arthur Zarden mit Fritz Reinhardt durch einen ausgewiesenen Nationalsozialisten ersetzt, der im Gegensatz zu seinem Minister einen starken Rückhalt in der NSDAP besaß, was für Krosigk mit einem Machtverlust verbunden war.

Das bedeutet nun aber nicht, dass Krosigk bei den Nationalsozialisten in Ungnade gefallen wäre. Entsprechend den Wünschen des Reichskanzlers wurde von ihm sowohl Zarden entlassen als auch das Ermächtigungsgesetz unterzeichnet. Krosigk entsprach weitgehend dem Typus des unpolitischen Beamten, wie er für Preußen nicht untypisch war. Kompetent, fleißig und gewissenhaft war er bereit und willens, sein Bestes für den Staat zu geben. Durch fachliche Qualifikation und nicht etwa durch ein Parteibuch war er in die politische Führungsebene gelangt, die eigentlich nicht seine Welt war. Er verkörperte den Typus des unpolitischen Fachministers. Während der Vollblutpolitiker eher den Staat als Mittel zur Durchsetzung seiner politischen Ziele begreift, versteht diese Spezies sich eher als Mittel des Staates. Der Politiker hofiert nicht selten den unpolitischen Fachmann, hält dieser ihm doch den Staat als Mittel seiner Politik funktionstüchtig.

So verlieh Hitler 1937 dem bis dahin Parteilosen das Goldene Parteiabzeichen ehrenhalber, womit Krosigk automatisch Parteimitglied wurde. Und noch in seinem politischen Testament bedachte Hitler Krosigk mit dem Finanzressort, auf dass dieser auch nach seinem Tode Finanzminister bleibe.

Krosigk hatte rechtzeitig vor dem Fall der Reichshauptstadt, am 21 April 1945, Berlin verlassen und sich nach dem noch in deutscher Hand befindlichen Flensburg begeben. Entsprechend Hitlers Willen beließ dessen Nachfolger als Staatschef, Admiral Karl Dönitz, Krosigk im Amt. Wäre es nicht makaber, müsste man feststellen, dass nun, nach dem Tod des Reichskanzlers Hitler am 30. April 1945 und dem Freitod des von diesem als Nachfolger im Kanzleramt ausersehenen Joseph Goebbels einen Tag später, der Weg für den Höhepunkt von Krosigks politischer Karriere frei war. Als ein Mann, der einerseits das Vertrauen Hitlers bis zuletzt genossen hatte, aber andererseits sein Ministeramt nicht erst den Nationalsozialisten zu verdanken, sondern schon in der Weimarer Demokratie ausgeübt hatte und nolens volens sein Ministerium eher unpolitisch verwaltet denn politisch geführt hatte, war Krosigk geradezu prädestiniert, in der sogenannten geschäftsführenden Regierung exponierte Funktionen wahrzunehmen. So übernahm er zusätzlich zum Finanz- nicht nur das Außenressort, sondern auch die Leitung der Regierung. Der letzte Regierungschef sowie Außen- und Finanzminister des Deutschen Reiches verkündete am 7. Mai 1945 die bedingungslose Kapitulation der Wehrmacht. 16 Tage später wurde Krosigks Regierung von den Siegermächten verhaftet.

Im sogenannten Wilhelmstraßen-Prozess von 1947 bis 1949 saß auch Krosigk mit auf der Anklagebank. Dem vormaligen Finanzminister wurde die Behandlung des Eigentums der verfolgten Juden durch die Finanzämter zum Vorwurf gemacht. Die Kriegssieger verurteilten Krosigk zu zehn Jahren Haft. Der Angeklagte akzeptierte das Urteil als „gerechte Sühne für eine auf ganz anderer Ebene liegende Schuld, eben für die Schuld des abgestumpften und eingeschläferten Gewissens“. Knapp zwei Jahre später wurde er infolge einer Amnestie aus dem Gefängnis Landsberg entlassen.

Nach der Haftentlassung war Krosigk als Publizist tätig. So veröffentlichte er unter anderem 1957 bis 1959 mit „Die große Zeit des Feuers – Der Weg der deutschen Industrie“ eine dreibändige Darstellung der deutschen Industriegeschichte. 1973/74 erschienen seine ebenfalls dreibändigen „Persönlichen Erinnerungen“, die in seinem Todesjahr noch einmal in gekürzter Fassung unter dem Titel „Memoiren“ herausgegeben wurden. Am 4. März 1977 verstarb der Beamte, Politiker und Publizist in Essen. Manuel Ruoff


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabobestellen Registrieren