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18.08.12 / Gedenktafel für die Patronatskirche von Coadjuthen / Initiative zur Bewahrung alter Geschichte im Memelland

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 33-12 vom 18. August 2012

Gedenktafel für die Patronatskirche von Coadjuthen
Initiative zur Bewahrung alter Geschichte im Memelland

Über Aktionen von Vertriebenen, die in der verlassenen Heimat versuchen, die letzten Relikte aus der jahrhundertealten Geschichte des Stammortes ihrer Vorfahren zu bewahren und ihr neue Impulse zu geben, berichten wir mit besonderer Freude. Zu den Ostpreußen, die sich diese zu einer Lebensaufgabe gemacht haben, gehört unser Landsmann Günter Uschtrin aus Regesbostel. Seine Familie stammt aus Coadjuthen im Memelland, und diesen Namen enthält auch der Titel seiner umfassenden Dokumentation über das Kirchspiel: „Wo liegt Coadjuthen?“ Wir haben das im Berliner Wissenschafts-Verlag erschienene Buch schon eingehend behandelt, aber ich wusste schon beim ersten Durchlesen, dass wir mit Sicherheit noch auf dieses umfangreiche Werk zurückkommen werden, weil es weitaus mehr als eine Ortschronik ist. Der Autor bindet die Historie des Kirchspiels und seiner einst dazu gehörenden 23 Dörfer in die wechselvolle Geschichte des nördlichen Ostpreußen ein, was vor allem den Nachkommen der Vertriebenen ihre Herkunftsregion transparenter macht. Da sich Günter Uschtrin auf Unterlagen und Urkunden stützen kann, die bisher in der Öffentlichkeit unbekannt waren, ist das Buch für alle, die sich mit der Geschichte des Memellandes beschäftigen, von dokumentarischem Wert. Auch für mich ist es inzwischen zu einer verlässlichen Informationsquelle geworden, die ich schon einige Male bemühen konnte. Heute gibt es allerdings einen anderen Anlass, auf das Buch und seinen Verfasser zurückzukommen. Günter Uschtrin hat es nicht bei der Dokumentation belassen, sondern eine Initiative gegründet, die der sichtbaren Bewahrung der Vergangenheit einer der schönsten und ältesten Kirchen des nördlichen Ostpreußen dient. Geplant ist eine Gedenktafel mit einer Dokumentation der jahrhundertealten Geschichte der Kirche, die den Besucher nicht nur informieren, sondern auch nachdenklich stimmen soll. Günter Uschtrin hat etwas Ähnliches erlebt, als er im Mai 2004 bei seinem ersten Besuch der restaurierten Pfarrkirche auf der Ehrentafel für die Gefallenen des Ersten Weltkrieges an der Empore seinen Familiennamen las. Er verspürte auf einmal eine kaum näher zu beschreibende Sehnsucht nach seinen ostpreußischen Wurzeln und eine Wissensbegierde, wie und wo er diese suchen und finden könnte. Dies war letztlich der Anlass zu seinem Buch. Das Vorhaben wird bei den ehemaligen Bewohnern des Kirchspiels offene Ohren finden. Sie haben schon einmal ihre Verbundenheit mit der Heimat bezeugt, als in den 90er Jahren die Kirche restauriert werden sollte, und damit auch mit deren Geschichte, die bis auf das Jahr 1558 zurückgeht, als der Grundstein für die erste Kirche der damals neu gegründeten Gemeinde gelegt wurde. Das jetzige Gotteshaus wurde 1734 eingeweiht und blieb Mittelpunkt des 4200 Seelen zählenden Kirchspiels bis zum Russeneinfall 1944. Der teilweisen Zerstörung, der die Orgel und alle Dokumente zum Opfer fielen, folgte nach Abriss des Turmes und der Zertrümmerung der Glocken die Umfunktionierung des Kirchenraumes zum Kinosaal. Ende der 50er Jahre erhielt die Gemeinde die Kirche zurück, aber an eine Nutzung des Gotteshauses war nicht zu denken. Erst 1991 konnte man eine Restaurierung ins Auge fassen. Ein Spendenruf an die in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Coadjuther erbrachte 10000 D-Mark. Litauen stellte das Gotteshaus unter Denkmalschutz, so dass die aufwendigen Renovierungsarbeiten finanziell gesichert waren, zumal sich auch der Lutherische Weltbund an den Kosten beteiligte. Am 28. Mai 1994 konnte die Kirche unter großer Anteilnahme der Einwohner von Coadjuthen und vieler Gläubigen – rund 1000 Menschen aus der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Litauen waren gekommen – wieder geweiht werden. Der Innenraum wurde nach alten Vorlagen restauriert. Einige Jahre später erhielt dann auch der erneuerte Turm eine Glocke, die ursprünglich aus der Bundesrepublik Deutschland kam. So bietet die Kirche den ehemaligen Bewohnern von Coadjuthen ein vertrautes Bild. Für die nachkommenden Generationen ist sie ein Festpunkt im Suchen nach Spuren, die in die Vergangenheit führen, wie Günter Uschtrin es selber erlebt hat. Die geplante Gedenktafel soll diese Verbundenheit noch vertiefen. Zwar steht die endgültige Zustimmung der Evangelischen Kirche Litauens zu Form und Inhalt noch aus, aber die ersten Kontakte sind geknüpft und versprechen eine positive Ent­wick­lung. Darüber wird Herr Uschtrin auf dem Treffen der Heimatgruppe Kirchspiel Coadjuthen am ersten Septemberwochenende in Hannover berichten. Und uns auch weiter wissen lassen, wie sich seine Initiative entwickelt, die auch für andere Gruppen interessant sein könnte.            R.G.


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