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18.08.12 / Wer tötete den Zwilling? / Ungewöhnlicher Krimi

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 33-12 vom 18. August 2012

Wer tötete den Zwilling?
Ungewöhnlicher Krimi

Ramiro Pinilla wird als einer der wichtigen spanischen Schriftsteller der Gegenwart gehandelt, was angesichts seines Geburtsjahrgangs 1923 recht bemerkenswert ist. In deutscher Übersetzung liegt jetzt sein Kriminalroman „Nur ein Toter mehr“ vor, womit ein Blick in das Baskenland der Nachkriegszeit eröffnet wird. Zweifellos hat der Autor dabei aus eigenen Erinnerungen geschöpft. Der Handlungsort ist das Küstenstädtchen namens Getxo in der Nähe von Bilbao, Pinillas Geburtsort. Die Idee ist originell: Der 21-jährige  Romanheld Sancho Bordaberri führt ein kleines Buchgeschäft, um den Inhalt einiger ererbter Kisten voller Bücher zu verkaufen. Seinen Laden hat er Baltza genannt, was auf Baskisch „schwarz“ heißt, da er ein Liebhaber der berühmten amerikanischen Krimiklassiker von Hammett und Chandler ist. Ganz besonders ist er in die schwarze Serie mit ihren einsamen Großstadtdetektiven vernarrt, was ihn schon vor Jahren dazu brachte, sich selbst in diesem Fach zu produzieren. Mit seinen literarischen Versuchen scheiterte er allerdings, kein Verlag wollte seine Kriminalromane drucken. Offenbar hat seine junge Mitarbeiterin Koldobike Recht, die ihm mangelndes Vorstellungsvermögen attestiert. Während er wieder einmal traurig am Strand sitzt und die Blätter eines dieser Machwerke den Wellen überantwortet, bleibt sein Blick an einem Felsen mit einem einzementierten Ring hängen. Daran hatte ein Unbekannter vor zehn Jahren die Altube-Zwillinge angekettet, nachdem sie zuvor durch einen Schlag auf den Hinterkopf betäubt worden waren. Bei steigender Flut war Leonardo ertrunken, während sein Bruder Eladio durch eine Rettungsaktion in letzter Minute knapp überlebt hatte. Die Tat wurde nicht aufgeklärt. Im Ort sprach längst niemand mehr davon. Nach dem Bürgerkrieg mit seinen vielen Opfern und dem Zweiten Weltkrieg konnte man das wohl auch nicht erwarten. Es war nur ein Toter mehr, noch dazu handelte es sich um die allseits unbeliebten jungen Zwillingsbrüder, die in der ganzen Gegend für ihre Gaunereien berüchtigt waren.

Bordaberri bringt das zur der Überlegung: Fiktion ist seine Sache nicht, doch wie wäre es, wenn er selbst als Privatdetektiv den Fall wieder aufnähme? Er könnte, so spekuliert er, einen packenden Kriminalroman zuwege bringen, indem er einfach aufschreibt, was er erlebt. Fortan nennt er sich Sam Esparta nach seinem berühmten Vorbild Sam Spade.

Das ziemlich ausgefallene Konzept des Autors scheint aufzugehen. Indem er die Schergen des Franko-Regimes ins Spiel bringt, eröffnet Pinilla einen Nebenschauplatz auf politisch-ideologischer Ebene. Nach Kriegsende herrschten die Falangisten im Baskenland als Lokalpatrone und terrorisierten die Bevölkerung. Auch Bordaberri alias Sam Esparta wird von ihnen überfallen und sie verwüsten seinen Buchladen. Dessen Nachforschungen geraten nach anfänglichen Fortschritten jedoch in eine Flaute und auch der Autor selbst hält sein anfänglich hohes Erzähltempo nicht durch. Die zu erwartenden überraschenden Ereignisse bleiben aus, stattdessen bringt Bordaberris ehemaliger Lehrer eine haarsträubende Hypothese in das detektivische Puzzlespiel ein, über die man nur den Kopf schütteln kann. Dass zuletzt eine nur leicht abgewandelte Variante dieser Hypothese ans Licht kommt, wenn Sam Esparta seinen ersten Fall erfolgreich zum Abschluss bringt, macht die Sache nicht besser. Für das Buch gibt es dennoch eine Empfehlung, wenn auch mit Abstrichen.      Dagmar Jestrzemski

Ramiro Pinilla: „Nur ein Toter mehr“, dtv, München 2012, kartoniert, 285 Seiten, 14,90 Euro


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