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25.08.12 / Kann Berlin Olympia? / Nach der gescheiterten Bewerbung von 1993 wollen es Hauptstadtpolitiker noch einmal wissen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 34-12 vom 25. August 2012

Kann Berlin Olympia?
Nach der gescheiterten Bewerbung von 1993 wollen es Hauptstadtpolitiker noch einmal wissen

Gut 20 Jahre nachdem Berlin mit seiner Bewerbung für die Olympischen Spiele ein Fiasko erlebt hat, bringen Berliner Spitzenpolitiker nun eine neue Bewerbung ins Gespräch. Mit einem Blick auf Städte, die bereits Austragungsort der „teuersten Party“ der Welt waren, stellt sich die Frage, was sie sich von einer neuen Olympiabewerbung eigentlich versprechen.

„Berlin ist erbärmliches Schlusslicht und irgendjemand sollte ihnen sagen, dass der Kaiser ohne Kleider ist.“ Fast 20 Jahre ist es nun her, dass ein Mitglied des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) auf so unverblümte Art seine Meinung zur Olympia-Bewerbung Berlins kundgetan hat. Geht es nach dem Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) oder Berlins Innensenator Frank Henkel (CDU), dann ist es Zeit, über eine neue Kandidatur für die Spiele 2024 oder 2028 nachzudenken: „Berlin ist bereit für Olympische Spiele. Denn Berlin hat alle Voraussetzungen: die Stadien, die Infrastruktur, die Hotellerie, die Begeisterung der Menschen für den Sport“, gibt sich Wowereit überzeugt.

Eine wichtige Voraussetzung scheint der Mann an der Spitze Berlins indessen vergessen oder lieber stillschweigend übergangen zu haben: die Fähigkeit, ein derartiges Großereignis auch organisieren zu können. Die Berliner S-Bahn und der neue Hauptstadtflughafen sind als Beleg für Berliner Organisationskünste eine einzige Peinlichkeit.

Scheitern könnte Berlin bereits im Vorfeld, beim Bewerbungsverfahren, wie dies bereits einmal unter der großen Koalition von Eberhard Diepgen geschehen war. Sehr zu Unrecht sind die Details der Bewerbung Berlins für die Olympischen Spiele des Jahres 2000 in Vergessenheit geraten: Sogar in der ohnehin skandalreichen Nachkriegsgeschichte der Filz-Metropole Berlin sticht die 1993 gescheiterte Olympiabewerbung mit ihrer Mixtur aus Selbstbedienungsmentalität, Dilettantismus und Geschmacklosigkeiten noch heraus: Bei der entscheidenden Abstimmung des IOC im September 1993 landete Berlin mit acht von 88 Stimmen weit abgeschlagen – selbst der krasse Außenseiter Manchester war für das IOC überzeugender.

Vorangegangen war eine Bewerbung, bei der sich ein Skandal an den anderen reihte: Mal wurden einer Werbeagentur, mit der man selbst verbandelt war, ein Auftrag über 3,8 Millionen D-Mark zugeschustert, mal wurden Geheimdossiers über sexuelle Vorlieben von IOC-Mitgliedern in Auftrag gegeben. Den passenden Abschluss der Bewerbung bildete die „Reißwolf-Affäre“ – Zeugen brachten vor, dass wichtige Akten und Belege zu skandalträchtigen Ungereimtheiten der Berliner Bewerbungskampagne gleich meterweise zerschreddert worden seien.

Die gesamte Bewerbung war von einer Raffke-Mentalität begleitet, die selbst für Berliner Verhältnisse ungewohnt war. Samt Ehefrauen oder Freundinnen reisten die Berliner Olympiaplaner auf Kosten der Steuerzahler zu den Olympischen Spielen in Barcelona – der Luxustrip kostete am Ende 1,2 Millionen Mark. Kleingeld im Vergleich zu einem 58000-D-Mark-Luxusgelage für IOC-Mitglieder vor dem Pergamonaltar.

Kaum verwunderlich ist, dass die Bewerbung beinah vorzeitig gescheitert wäre: Ende 1992 stand die Berliner Olympia GmbH kurz vor dem Konkurs. Was nach der gescheiterten Bewerbung blieb, waren außer den eigentlichen Kosten des Bewerbungsfiaskos von 89 Millionen Mark Baukosten für Sportstätten, die im Vorgriff auf Olympia schon einmal errichtet worden waren. Insgesamt schlug die desaströse Bewerbung mit rund 800 Millionen D-Mark zu Buche.

Den Berliner Lokalgrößen, die sich nun erneut für eine Olympia-Bewerbung stark machen, wäre nicht nur ein Blick zurück, sondern auch über den Berliner Tellerrand angeraten: Austragungsort der Spiele zu sein bedeutet nichts anderes, als Gastgeber der kostspieligsten Party der Welt zu sein.

Im Regelfall gelingt es nur dem IOC, nicht aber dem jeweiligen Gastgeber, mit Olympischen Spielen Geld zu verdienen. Ob nun gerade Berlin die Voraussetzungen mitbringt, den Sonderfall von profitablen Spielen auf die Beine zu stellen, ist fraglich. Im Normalfall bleiben Schulden zurück, die teilweise über Jahrzehnte abgetragen werden müssen. Montreal, der Gastgeber der Sommerspiele von 1976, hat erst im Jahr 2006 die letzte Rate gezahlt, mit denen die vor 30 Jahren aufgenommenen Schulden nun getilgt sind.

Sieht man von den optimistischen Zukunftsversprechen von Britanniens Premierminister David Cameron einmal ab, dann waren auch die Spiele in London nicht gerade ein wirtschaftlicher Erfolg: Die Leiterin des Tourismusverbandes UK-Inbound, Mary Rance, rechnet mit einem Einbruch der Besucherzahlen von einem Drittel für das Gesamtjahr. Denn gerade wegen Olympia sind die typischen London-Touristen ausgeblieben, die sich von erhöhten Preisen und überfüllten Verkehrsmitteln abgeschreckt gefühlt haben. Der britische Einzelhandelsverband BRC beklagt ein überaus mageres Verkaufsplus von 0,1 Prozent für den Juli.

Wirklich profitiert zu haben scheint in London bisher vor allem einer: der Bürgermeister der britischen Metropole Boris Johnson (Konservative) – 71 Prozent der Briten sehen ihn inzwischen als künftigen Premierminister ihres Inselstaates. Es sind vermutlich derartige Umfrageergebnisse, die Berliner Politiker nun wieder veranlassen, über Olympische Spiele in Berlin zu phantasieren, koste es am Ende was es wolle. Norman Hanert


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