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25.08.12 / Nur noch Neid und Missgunst / Die vielversprechend gestartete britische Regierung verharrt im Kleinkrieg – Kaum noch Gemeinsamkeiten

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 34-12 vom 25. August 2012

Nur noch Neid und Missgunst
Die vielversprechend gestartete britische Regierung verharrt im Kleinkrieg – Kaum noch Gemeinsamkeiten

Was für ein Sommer für Großbritannien! Erst das Diamantene Kronjubiläum von Queen Elisabeth II., dann der Jubel über die vielen Goldmedaillen – aber der „Kater“ wird kommen, denn die Regierungskoalition David Camerons steckt in tiefen Schwierigkeiten.

Ganz ähnlich wie die deutschen Liberalen fühlen sich auch ihre britischen Verwandten, die „Libdems“, in der Regierungskoalition mit den konservativen Tories von Cameron nicht genügend beachtet. Sie sinken ständig in der Wählergunst, weil niemand eine liberale Handschrift der Regierung erkennen kann. „Dafür haben wir sie nicht gewählt“, sagen enttäuschte Anhänger der Liberaldemokraten, die nach zwei Jahrzehnten in der politischen Wüste wieder an der Regierung des Landes beteiligt sind. Eigene Akzente hat der jugendlich wirkende Nick Clegg als Vizepremier kaum setzen können. Bei der Eröffnung der Olympischen Spiele zeigte er sich mit Cameron noch in trauter Eintracht der Öffentlichkeit, doch hinter den Koalitionskulissen brodelte es bereits. „Wir haben schon zu viele Schläge eingesteckt“, sagte ein führender Politiker der Libdems und brachte damit die Gefühlslage der Partei auf den Punkt.

Doch woher kommt dieser Frust? Zunächst scheiterte die von den Liberalen geforderte Reform des britischen Oberhauses an einer starken Gruppe innerhalb der konservativen Parlamentsfraktion. 90 Rebellen in Camerons Partei schafften es, die Abstimmung über die Oberhausreform zu verhindern. In einem offenen Brief nannten sie die Reform „undurchdacht und unnötig“. Damit wurde dieses Projekt beerdigt, das immerhin im Koalitionsvertrag festgelegt war. Für die Liberalen ein nicht hinnehmbarer Vorgang, da die Berufung der Oberhaus-Mitglieder diesen stets ein Dorn in ihrem demokratischen Auge war. Denn das Land, das sich gerne als Ursprungsland der westlichen Demokratie rühmt, huldigt im Fall der zweiten Kammer des Parlaments noch ziemlich vordemokratischen Gepflogenheiten. Die rund 800 Sitze des Oberhauses werden entweder vererbt oder (wie im Fall der anglikanischen Bischöfe) durch Berufung erworben. Im Wahlkampf hatten die Liberaldemokraten daher die Reform des Oberhauses als eines ihrer zentralen Projekte benannt.

Nun, da die Oberhausreform scheitert, wollen die Libdems mit gleicher Münze heimzahlen. „Man muss auch mal austeilen“, sagte ein Politiker der Liberalen, der nicht genannt werden wollte. Die von den konservativen Tories gewünschte Gebietsreform der Wahlkreise soll nun seitens der Liberalen verhindert werden. In dieser Frage sind die britischen Liberalen sowieso schon „angefressen“, weil sie das Referendum über ein neues Wahlrecht verloren hatten. Die Liberalen drangen beim Wahlrecht auf Neuerungen, weil sie durch das Mehrheitsprinzip („The winner takes it all“) massiv benachteiligt werden. So kann eine Partei, die nur gut 30 Prozent der Wähler in einem Wahlkreis gewinnt, den Parlamentssitz ergattern. Einen Ausgleich durch die Berücksichtigung von prozentualen Wählerstimmen wie in Deutschland gibt es in Großbritannien bisher nicht.

Hinzu kommt, dass nach weitgehend übereinstimmender Meinung die sozialdemokratische Labour bei dem bisherigen Zuschnitt der Wahlkreise bevorzugt wird, weswegen sich die Konservativen von einem Neuzuschnitt etwa 20 zusätzliche, eigene Sitze erhofft hatten. Da gleichzeitig das Parlament von 650 auf 600 Sitze verkleinert werden sollte, hätten sich die Zahlenverhältnisse deutlich zugunsten der Fraktion Camerons verändert. Nun aber atmen einige Abgeordnete bereits auf, die um den Verlust ihres Sitzes gefürchtet hatten.

Der neue Tiefpunkt der Koalition kommt mitten in der Ernüchterung nach dem Olympiafieber und dem Thronjubiläum. Ein dunkler Herbst steht England bevor. Die Jugendarbeitslosigkeit ist mit über 20 Prozent auf den höchsten Stand seit 18 Jahren geklettert. Premier Cameron punktet zwar mit der Kritik an EU und Euro, die in England mehrheitlich abgelehnt werden, aber auch in diesem Punkt ist er sich mit seinem EU-freundlichen Koalitionspartner uneinig. Nick Clegg, der viele Jahre bei EU-Institutionen angestellt war, sieht es ungern, wenn die Beziehungen zu Brüssel immer eisiger werden. Die Liberalen benötigen nach zwei Jahren der Regierungsbeteiligung dringend ein öffentlichkeitswirksames Zeichen des Erfolgs. Doch dies scheint im rezessionsgebeutelten Großbritannien in weiter Ferne.

Zudem drohen in Zukunft noch neue wirtschaftliche Schwierigkeiten, wenn tatsächlich Schottland seine Unabhängigkeitspläne zum Jahr 2014 wahr machen sollte. Der Goldmedaillen-Erfolg des schottischen Tennisspielers Andrew Murray kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die allein regierende schottische Nationalpartei ihre Pläne zur Loslösung vom englischen Parlament weiterbetreiben wird. Für England würden damit die wichtigen Rohstoffquellen auf schottischem Nordsee-Gebiet verloren gehen. Ob die derzeit wohlfeilen Appelle zur nationalen Einheit fruchten werden, ist daher ebenso offen wie ein Bruch der Regierungskoalition in den nächsten Monaten. Hinrich E. Bues


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