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25.08.12 / Hirntod durch Computer und Internet

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 34-12 vom 25. August 2012

Moment mal!
Hirntod durch Computer und Internet
von Klaus Rainer Röhl

Jeder dritte Deutsche ist Computerspieler“, jubelte der „Kölner Stadtanzeiger“ auf seiner Titelseite zum Beginn der in Köln stattfindenden Computer-Spielmesse Gamescom. Die Branche boomt. Wie die Veranstalter bekanntgaben, ist die Zahl der Computerspieler binnen Jahresfrist auf 24 Millionen gestiegen, das entspräche einem Drittel aller Deutschen über 14. Die Branche macht in Deutschland derzeit gute Geschäfte. 35 Millionen Spiele wurden im ersten Halbjahr online oder auf Datenträgern verkauft. Glück für die Branche.

Nachdenklich stimmt jedoch, dass am gleichen Tag ein Buch über den sich ausbreitenden digitalen Massenwahnsinn erschien. Das Buch des Ulmer Professors Manfred Spitzer hat den unmissverständlichen Titel „Digitale Demenz“ und wurde von der „Bild“-Zeitung und „Stern“ zugleich als Aufreger-Thema erkannt und unmittelbar nach dem gegen Ende abflauenden Interesse an den Olympischen Spielen an die Quotenfront geworfen: „Bringt uns das Internet um den Verstand?“ („Bild“) oder „Immer online, aber sprachlos“ („Stern“), gleich neben dem Prämien-Tipp für das neue iPad der dritten Generation.

Manfred Spitzer, ärztlicher Direktor der psychiatrischen Universitätsklinik in Ulm, erschreckt die Deutschen mit katastrophalen Forschungsergebnissen: Internet im Dauergebrauch kann gesundheitsschädlich sein, besonders die sich verbreitende Abhängigkeit davon sei gefährlich. Vor allem für unsere Kinder, deren Gehirn irreparable Schäden erleide. Nicht nur, weil die wie angewurzelt am Bildschirm hockenden Jugendlichen und jungen Erwachsenen keine Bewegung mehr haben, kaum noch Sport betreiben und kaum noch Kontakt mit Freunden haben (statt dessen haben sie tausend virtuelle Freunde bei Facebook und anderen Anbietern), sondern weil sie schlicht nicht mehr denken, geschweige denn nachdenken können. Der fast krankhafte, suchtartige Gebrauch von Internet-Angeboten soll also verheerend für unsere Kinder und Enkelkinder sein. Werden bestimmte Teile des Gehirns dauerhaft nicht mehr benutzt, sterben sie ab oder verkümmern, so Spitzer. Der Ulmer Hirnforscher weist nach, dass Langzeitschäden im Gehirn entstehen, wenn bestimmte Regionen wie der Hippokampus durch dauernde Nichtnutzung verkümmern. Der größte Schaden für uns und unsere Kinder bestehe darin, durch Langzeitgebrauch der Internet-Nachschlage-Seiten nicht mehr über ein Gedächtnis, also abrufbares Wissen, zu verfügen, dessen Aneignung und Festigung das Gehirn trainieren muss. Sogar die Fähigkeit wird verlernt, beziehungsweise gar nicht erst gelernt, noch nicht angeeignetes Wissen und gar kulturelle Tatbestände, Traditionen und gesammelte Erfahrungen zu erlernen, statt sie einfach per Internet abzurufen. Ein Dauergebrauch des Computers mache aus jungen, aufgeschlossenen und fähigen Menschen psychische und auch geistige Invaliden. Ein sicher für viele sehr überraschendes Beispiel ist das allerseits so beliebte Navigationsgerät. Die Fähigkeit sich räumlich zu orientieren und planvoll vorzugehen, wird durch die Navigationshilfe zerstört. Spitzer: „Ihr eigener Orientierungssinn verkümmert und damit das entsprechende Gehirnareal!“ Spitzer: Wir lagern die Denkprozesse an elektronische Geräte aus. Damit finden sie aber auch im Gehirn nicht mehr statt.

Der Herausgeber der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ („FAZ“), Frank Schirrmacher, formuliert es drastisch: „Das Internet vermanscht unser Gehirn!“ Wer alles bei Google und wikipedia sucht, merkt sich nichts mehr selbst. Früher konnte man zahlreiche Telefonnummern auswendig. Wir merken uns nur noch, wo wir sie finden können. Schlimmer ist es bei Kindern und Heranwachsenden. Reine Online-Kontakte führen zur sozialen Verarmung, weil viele zwischenmenschliche Beziehungen auf dem sinnlichen Eindruck des Gegenübers beruhen, der durch Sprache, Tonfall, die ganze körperliche Ausstrahlung auf uns einwirkt.

Computerspiele fördern übrigens Aggressionen, belohnen die Bereitschaft zur Gewalt (mehr Punkte für Tote) und stumpfen dadurch ab gegenüber Gewalt, mit den bekannten Folgen für besonders gefährdete Einzelgänger, die überall in der Welt das tun, was sie unzählige Male vor dem Bildschirm geübt haben: Mitmenschen abknallen.

Manfred Spitzer glaubt zu wissen, wer Interesse an der weiteren Ausbreitung der „digitalen Demenz“ haben könnte: „Es geht immerhin um die wertvollsten Firmen der Welt und deren Umsatz: Google, Microsoft, Apple, IBM, Facebook. Nachdem in jedem Haushalt schon drei Computer stehen, geht es jetzt darum, dass an Schulen und Kindergärten auch noch Informationstechnik angeschafft werden soll.“ Spitzer ist dagegen, denn die Geräte „ersparen uns Denkarbeit, und diese Denkarbeit brauchen wir, damit im Gehirn Lernprozesse stattfinden“, sagt der Autor in einem Zeitungsinterview.

SMS schreiben („Simsen“) ersetzt das reale Leben, der regelmäßige Gebrauch wird zur Sucht. Bei 250000 jungen Deutschen von zwölf bis 24 sieht der Suchtbeauftragte der Bundesregierung eine krankhafte Internetabhängigkeit. 1,4 Millionen seien schon an der Grenze.

Wann sind wir selber betroffen? Und trifft es alle? Auch jene, die sonst nicht mit dem Zeitgeist gehen? Ein Beispiel: Wenn man von einer Burschenschaft zu einem Vortrag über den Terrorismus eingeladen wird und es auch noch die ehrenwerte „Allemania-Niebelungen zu Bielefeld“ ist, fühlt man sich unter den wunderbaren jungen Menschen gut aufgehoben und, fern dem gleichgeschalteten Medien-Mainstream, ganz bei seinesgleichen. Ich frage ganz beiläufig einen besonders engagierten und ernsthaften Kommilitonen, ob er wohl das immer noch schönste Lied aus dem Freiheitskampf der Deutschen gegen Napoleon auswendig kenne: „Der Gott der Eisen wachsen ließ, der wollte keine Knechte“. Womöglich kenne er sogar die zweite Strophe? Staunen und stummes Kopfschütteln. Aber nicht lange und der junge Mann zückt seinen Mini-Computer, streicht einige Male mit einer schnellen Bewegung über den Bildschirm und schon hält er mir, mit einer triumphierenden Geste, die ausgedruckte zweite Strophe entgegen. Gewusst wie. Aber auch gewusst, warum? Der Befreiungskrieg gegen Napoleon, das Wissen von der geradezu versessenen Freiheitsliebe der Deutschen seit der Zeit ihrer Vorfahren, den Cheruskern, dieses „Lewwer duad üs Slaav“ des Friesen Pidder Lüng, das ist wichtig im Kopf zu haben – gegen die regelmäßig vorgetragene Mär von Daniel Goldhagen und Co., die Deutschen seien in ihrer Geschichte immer aggressiv gewesen und also müssten wir froh sein, unter das europäische Dach zu schlüpfen und unsere Nation möglichst zu vergessen. Vergessen! Das ist das Stichwort von Goldhagen bis Sigmar Gabriel. Erinnern ist das Gegenmittel. Gegen das Vergessen.

Wer von uns ohne Schuld ist, der werfe den ersten Stein. Ich werfe ihn.


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