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25.08.12 / Der Himmel hat viele Farben / Einer ganzen Generation bleibt sie stets als »Lili Marlen« in Erinnerung – Vor 40 Jahren starb Lale Andersen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 34-12 vom 25. August 2012

Der Himmel hat viele Farben
Einer ganzen Generation bleibt sie stets als »Lili Marlen« in Erinnerung – Vor 40 Jahren starb Lale Andersen

Es gibt Lieder, die sind unzertrennlich mit ihren Interpreten verbunden: „My Way“ mit Frank Sinatra, „One Moment in Time“ mit der in diesem Jahr verstorbenen Whitney Houston. Und ebenso die „Lili Marleen“ mit der deutschen Sängerin Lale Andersen.

Wenn der Soldatensender der Bundeswehr „Radio Andernach“ um 22 Uhr sein Liveprogramm beendet, hören die Bundeswehrsoldaten am Hindukusch zum Abschluss das wohl bekannteste deutsche Soldatenlied: „Lili Marleen“. Lale Andersen, die als Liese-Lotte Helene Berta Bunnenberg am 23. März 1905 in Bremerhaven geboren wurde, wurde weltbekannt mit diesem Lied, das im April 1941 nach der Einnahme der serbischen Hauptstadt durch die deutsche Wehrmacht über den deutschen Soldatensender „Radio Belgrad“ erstmals ausgestrahlt wurde. Es gibt viele Versionen, wie es dazu kam, dass Lale Andersens „Lili Marleen“ von „Radio Belgrad“ gespielt wurde. Aber ein gewisser Zufall ist fester Bestandteil von ihnen allen.

Für Lale Andersen bedeutete dieser Zufall, dass sie über Nacht in aller Munde war. Da das Radioprogramm nicht nur von deutschen Soldaten empfangen werden konnte, sondern auch vom Nordkap bis nach Afrika, kannten jetzt fast alle Soldaten zu beiden Seiten der Front Lale Andersen und ihre „Lili Marleen“. Beliebt war das Lied, da es ihr Empfinden, Sehnsüchte und Wünsche ausdrückte. Von Marlene Dietrich auch auf Englisch für die Amerikaner gesungen, erlangte das 1915 von Hans Leip gedichtete und von Norbert Schultze vertonte Lied Weltruhm und wurde im Zuge dessen in mindestens 80 Sprachen übersetzt.

Man könnte meinen, die Sängerin der ersten kommerziellen Schallplatte, die über eine Million Mal verkauft wurde, die unzählige Fanpost von Soldaten erhielt, wäre eine beliebte Person des NS-Propagandaapparats, doch dem war nicht so. Denn Andersen hatte mehrere „Schwächen“: die eine war ihre Liebe zu dem in die Schweiz immigrierten Juden Rolf Liebermann, dem sie regelmäßig Briefe schrieb. Die zweite „Schwäche“ war, dass Joseph Goebbels die „Lili Marleen“ einfach nicht mochte. Für ihn war das Lied zu sentimental und unheroisch, um an der Front gespielt zu werden. Lale Andersen erhielt Auftrittsverbot für ihre „undeutschen“ Kontakte mit Juden in der Schweiz und ihre Bilder wurden in der Presse zensiert, was dazu führte, dass ihr Name langsam aus der Öffentlichkeit verschwand. Einem Zufall hat sie es zu verdanken, dass sie nicht in einem Konzentrationslager elendig verkümmerte. Der englische Sender „BBC“ fragte aufgrund der fehlenden Bühnenpräsenz, ob Lale Andersen schon eingesperrt sei. Die NS-Maschinerie musste ihre Verhaftungspläne einstellen und zu Propagandazwecken das Auftrittsverbot lockern, wobei es ihr weiter untersagt war, „Lili Marleen“ zu singen.

Lale Andersen hat sich selbst immer neue Identitäten gegeben. Das kleine Mädchen aus Bremerhaven hatte sie selbst in ihrer Geburtsstadt zurückgelassen, um dann als junge Frau im Matrosenanzug im Kabarett in Berlin aufzutreten. Auch die Annahme des Pseudonyms „Lale Andersen“ 1934 war eine selbstgewählte, bewusste Entscheidung. Aber der Gassenhauer „Lili Marleen“ veränderte sie in der Wahrnehmung der Öffentlichkeit, ohne dass sie einen Einfluss darauf gehabt hätte. Überall war sie nur die „Lili“, was ihr gar nicht schmeck­te. Die vielen Fanbriefe, vor allem von Soldaten, schmeichelten ihr, aber nicht mehr Lale zu sein nicht. Vielleicht ist das auch ein Grund, warum sie das Lied nur ungern sang.

Lale Andersen ist aber bei weitem nicht nur das Mädchen an der Laterne vor dem großen Tor. Ihr Schaffen, vor allem das musikalische, war weit größer. Besonders in der Nachkriegszeit spielte sie viele Platten ein. Dabei ging ihr Repertoire von Schlagern über mundartlich-volkstümliche Lieder bis zu einer Dreigroschenoper-Interpretation. Ihr fehlte das Divenhafte einer Marlene Dietrich, aber dies ließ sie zum Inbegriff der kühlen Blonden werden.

Obwohl sie mit 19 heiratete und drei Kinder bekam, war die Karriere als Sängerin und Schauspielerin ein festes Ziel in ihrem Leben, welches sie stets beharrlich verfolgte. Dies ließ sich nicht mit der Rolle als Mutter und Ehefrau vereinbaren, daher ließ sie sich 1931 von ihrem ersten Mann, dem Maler Paul Ernst Wilke, scheiden. Die drei gemeinsamen Kinder wuchsen fortan bei Verwandten und in Heimen auf. Andersen ging nach Berlin, um sich als Sängerin und Schauspielerin durchzusetzen. Einige Kritiker warfen der Seemannstochter vor, der Karriere alles unterzuordnen, auch ihre eigene Familie.

Nach dem Krieg war sie als Sängerin und Kabarettistin für europäische und amerikanische Sender tätig, und unter dem Namen „Nicola Wilke“ veröffentlichte sie eigene Werke. Im zweiten Anlauf hat sie 1961 die Bundesrepublik beim Grand Prix Eurovision de la Chanson in Cannes mit dem Lied „Einmal sehen wir uns wieder“ vertreten. Sie erreichte den 13. Platz bei 16 Teilnehmern – Deutsche hatten dort nie einen leichten Stand. Von ihrem zweiten Mann, dem Schweizer Liederkomponisten Artur Beul, sang sie viele Lieder. 1967 nahm sie mit einer großen Tournee von ihrem Publikum Abschied.

Obwohl sie große Erfolge mit Schlagern wie „Ein Schiff wird kommen“ feiern konnte – mit dem Song gelang ihr 1959 ein Comeback –, versuchte Andersen immer an ihre Theaterzeit anzuknüpfen, mit der sie gute Erinnerungen verband. Wegen schlechter Presse, Krankheit oder Insolvenz der Theaterhäuser gelang ihr Vorhaben nicht nachhaltig.

Um ihr damals neues Buch, das autobiografische Werk „Der Himmel hat viele Farben – Leben mit einem Lied“ zu bewerben, reiste Andersen 1972 nach Wien. Schon seit längerer Zeit an Krebs leidend, musste sie sich überraschend in eine Klinik begeben. Dort ereilte sie am 29. August 1972 der Tod – mit nur 67 Jahren. Auf der ostfriesischen Insel Langeoog, wo sie seit dem Zweiten Weltkrieg gelebt hatte, wurde ihre Urne beigesetzt. Sascha Günther


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