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25.08.12 / Er entsprach dem Ideal des preußischen Adeligen / Vor 25 Jahren starb der Autor des »Ostpreußischen Tagebuchs«, Hans Graf von Lehndorff – Träger des »Preußenschildes«

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 34-12 vom 25. August 2012

Er entsprach dem Ideal des preußischen Adeligen
Vor 25 Jahren starb der Autor des »Ostpreußischen Tagebuchs«, Hans Graf von Lehndorff – Träger des »Preußenschildes«

Hans Graf von Lehndorff war ein tiefgläubiger Protestant. Dabei aber nicht frömmelnd oder gar bigott. Pathos und Phrasen lehnte er ab. Sachlichkeit und Nüchternheit zeichnete ihn vielmehr aus. Dazu gehörte auch Bescheidenheit. Mehr Sein als Schein. Bei aller Strenge und Selbstzucht war er aber nicht humorlos. Er liebte ihn, aber trocken. Klamauk war nicht seine Sache. Er hatte vielmehr Sinn für die unfreiwillige, versteckte Situationskomik im Alltag, hierin einem anderen preußischen Adeligen nicht unähnlich, Vicco von Bülow alias Loriot.

Die Berühmtheit seines Standesgenossen erreichte der Graf zwar nicht, doch erfreute auch er sich trotz seiner Bescheidenheit großer Bekanntheit und Anerkennung, wie sie unter anderem in der Verleihung des „Preußenschildes“ durch die Landsmannschaft Ostpreußen im Jahre 1981 zum Ausdruck kam. Diese Bekanntheit und Anerkennung hatte der Schriftsteller vor allem seinem prominentesten Werk zu verdanken, dem „Ostpreußischen Tagebuch“. Nicht zu Unrecht gilt es als eines der ergreifendsten Dokumente des Leids in Ostpreußen nach dessen Eroberung durch die Rote Armee. Kaum 1947 im sicheren Westen angekommen, beschrieb er die vorangegangenen Ereignisse in seiner Heimat, teils auf geretteten Tagebuchaufzeichnungen basierend, teils aus der Erinnerung. Es spricht für Lehndorffs Bescheidenheit, dass er sein Manuskript ein Dutzend Jahre zurückhielt, um „genügend Abstand“ zu gewinnen. So erschien das Zeitdokument erst 1960, zunächst als drittes Beiheft zu der vom Bundesministerium für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte veröffentlichten „Dokumentation der Vertreibung der Deutschen aus Ost-Mitteleuropa“. Im darauffolgenden Jahr wurde der Bericht dann erstmals als eigenständiges Buch herausgebracht. Mehr als 20 weitere Auflagen folgten bis über seinen Tod vor 25 Jahren hinaus. 20 Wochen lang stand das Buch auf der Bestseller-Liste des „Spiegel“ an erster Stelle. Schließlich wurde der Stoff auch noch verfilmt.

Lehndorff hat den Einmarsch der Sowjets und das Martyrium der Deutschen in Nachkriegsostpreußen selber erlebt, und zwar als Arzt. Obwohl in vielerlei Hinsicht ein Preuße, wie er im Buche steht, hatte es Lehndorff schließlich weder zum Militär oder in die Staatsverwaltung noch in die Landwirtschaft oder wie seinen Vater zur Pferdezucht gezogen, sondern zur Medizin. Nach einer Kindheit in Sachsen und einer Jugend in Trakehnen studierte der im sächsischen Graditz bei Torgau geborene Spross einer ostpreußischen Familie nach ein paar Semestern Jura in Genf und Paris in München und Berlin Medizin. Auslandsaufenthalte in Frankreich und Großbritannien gehörten zur Ausbildung.

Nach dem Examen an der Berliner Friedrich-Wilhelms-Universität 1936 trat Lehndorf eine Stelle als Assistenzarzt am Martin-Luther-Krankenhaus der Reichshauptstadt an. Wenige Jahre später zog es ihn jedoch wieder zurück in die ostpreußische Heimat. Ab 1941 arbeitete er in derselben Funktion am Kreiskrankenhaus von Insterburg. Er spezialisierte sich auf die Chirurgie.

Bei Kriegsende arbeitete Lehndorff in einem Wehrmachtslazarett in Königsberg. Bis 1947 erlebte er als Mediziner Ostpreußens „ethnische Säuberung“, wie man es heute nennen würde. Sein „Ostpreußisches Tagebuch“ über diese Zeit ist sowohl von einem preußisch-nüchternen Stil als auch von einem tiefen Glauben geprägt, der ihm half, diese schreckliche Zeit durchzustehen. Bereits in Insterburg hatte er sich einem Bibelgesprächskreis angeschlossen, was ihn schließlich zur zumindest tendenziell oppositionellen Bekennenden Kirche führte. Einer seiner Cousins, Heinrich Graf von Lehndorff-Steinort, ging einen Schritt weiter und gehörte zu den Männern des 20. Juli, was dieser mit dem Leben bezahlte. Vor dem Attentat hatte sein Vetter Lehndorff gefragt, ob er sich vorstellen könne, sich an dem Anschlag zu beteiligen. Er hatte positiv geantwortet, war aber nicht zum Einsatz gekommen. Da seine Zusage geheim blieb, blieb er von der Staatsmacht unbehelligt und überlebte im Gegensatz zu seinem Vetter die NS-Zeit.

In der Hoffnung, dort auf Verwandtschaft zu stoßen, macht sich Lehndorff im Oktober 1945 von Königsberg aus auf den Weg Richtung Westpreußen. Dabei erfährt er, dass seine Mutter und sein ältester Bruder Heinfried bereits im Januar 1945 von den vorrückenden Russen auf der Flucht erschossen wurden. In der ihm eigenen Stärke, allem etwas Positives abzugewinnen, kommentiert er diesen Verlust mit den Worten: „Ich war froh, dass es so schnell ging.“ Sein Lieblingsbruder Meinhard war bereits 1940 zehn Tage nach Beginn des Westfeldzuges im nordfranzösischen Maubeuge gefallen. Sein Bruder Elhard erlitt ebenfalls den Soldatentod und Georg starb 1943 an einer Hirnblutung.

Durch seinen Marsch gen We­sten geriet Lehndorff in den Machtbereich der Polen, in welchem er weiter als Arzt tätig war. Aus diesem gelangte er 1947 nach Westdeutschland. Dort war er bis 1949 als Mitarbeiter von evangelischen Akademien tätig, bis er 1950 wieder seinen Beruf als Arzt aufnahm. Nach sechs Monaten als Assistenzarzt in Göttingen arbeitete er am Johanniterkrankenhaus in Bonn. Lehndorff gehörte ab 1949 als Ehrenritter und ab 1952 als Rechtsritter dem Johanniterorden an. Von 1954 bis 1962 führte er die Preußische Genossenschaft des Johanniterordens als Kommendator.

Im selben Jahr, in dem er dieses Ehrenamt übernahm, wurde Lehndorff Chefarzt am Viktoria-Hospital in Bad Godesberg. 1970 schied er aus dem aktiven Dienst aus. Damit betrachtete der Preuße seinen Dienst am Nächsten jedoch nicht als beendet. Vielmehr engagierte er sich auch nach seiner Pensionierung in der Krankenhausseelsorge und der Drogenberatung.

Daneben war er weiterhin schriftstellerisch tätig, denn das „Ostpreußische Tagebuch“ war sein bekanntestes, aber nicht sein einziges Werk. Beispielsweise beschrieb er in den „Insterburger Jahren“ aus dem Jahre 1969, wie er während des Zweiten Weltkrieges als Arzt im Kreiskrankenhaus zur Bekennenden Kirche fand. Nach seiner Pensionierung verarbeitete er seine Erfahrungen als Chirurg und Chefarzt in seiner 1977 veröffentlichten „Humanität im Krankenhaus“. Nachdem er nach seiner Pensionierung erst einmal seine Berufstätigkeit schriftstellerisch verarbeitet hatte, wandte er sich in dem Buch „Menschen, Pferde, weites Land“, das 1981 erstmals erschienen, seiner Kindheit und Jugend zu. 1983 schließlich trat er mit seinem letzten Buch „Lebensdank“ an die Öffentlichkeit, 110 Auslegungen von Bibeltexten als Hilfe für die Probleme des Alltags. Am 4. September starb Hans Graf von Lehndorff in Bonn. Manuel Ruoff


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