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25.08.12 / Er blieb bis zum Schluss uneinsichtig / Vor 100 Jahren kam Erich Honecker in dem heute zu Neunkirchen (Saar) gehörenden Wiebelskirchen zur Welt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 34-12 vom 25. August 2012

Er blieb bis zum Schluss uneinsichtig
Vor 100 Jahren kam Erich Honecker in dem heute zu Neunkirchen (Saar) gehörenden Wiebelskirchen zur Welt

Erich Honecker war der am längsten amtierende Partei- und Staatschef der DDR. Sein größter Erfolg war zweifellos, dass es ihm gelang, die immer maroder werdende DDR nach außen als potente Industrienation zu verkaufen. Bis ins Jahr 1989 galt die DDR als zehntstärkste Industriemacht, eine Legende, die zusammenbrach, sobald die Mauer fiel.

Bei seiner „Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik“ hatte Honecker ebenso wenig Glück, wie mit den Kulturschaffenden (siehe Kasten). Er beendete die von seinem Vorgänger Walter Ulbricht eingeleitete „sozialistische Marktwirtschaft“, die es den Betrieben gestattete, einen Teil ihrer Gewinne zu behalten und nach eigenem Ermessen einzusetzen.

Dennoch wollte sich der neue Partei- und Staatschef als Wohltäter des Volkes profilieren. Es begann eine Sozialpolitik auf Pump, die erst die volkswirtschaftlichen Reserven auffraß, dann dazu führte, dass die DDR alles verkaufte, was sich im Westen zu Geld machen ließ: neben den Erzeugnissen aus der volkseigenen Produktion Kulturgüter aller Art bis hin zu historischem Baumaterial. Kleinere Haushaltslöcher wurden mit dem Verkauf von politischen Gefangenen gestopft, der, je länger Honecker regierte, immer mehr in Schwung kam. Als die Konsumgüterproduktion nicht ausreichte, um den wachsenden Bedarf der Bevölkerung zu decken, wurde die Schwerindustrie verpflichtet, nebenbei Konsumgüter herzustellen. Heraus kamen so berüchtigte Produkte wie „Wofasept“ von Wolfen. Ein Reinigungsmittel, das tatsächlich stärker war als Meister Proper, aber so infernalisch stank, dass es nicht in Privathaushalten eingesetzt werden konnte.

Ein Problem, das die DDR nie löste, war die Wohnungsnot. Die Altstadtquartiere wurden dem Verfall überlassen, so dass die Besucher sich fragten, wie bewohnte Häuser in solch einen ruinösen Zustand geraten konnten wie die Bruchbuden in der DDR. Ho­necker, der Dachdecker, hat es nie vermocht, für dichte Dächer in seinem Land zu sorgen. Über 30 Prozent der Altstadtdächer waren undicht. Honecker hat seine Dachdeckerlehre auch nie beendet, denn er wurde schon in früher Jugend Berufsfunktionär. Seine diesbezügliche Laufbahn krönte er mit dem Besuch der Leninschule in Moskau.

Während der NS-Zeit wurde Honecker zweimal verhaftet, beim zweiten Mal zu zehn Jahren Zuchthaus verurteilt. Bei seinen Verhören lieferte er Material für die Verurteilung des KPD-Funktionärs Bruno Baum.

Im Zuchthaus Brandenburg saß er gemeinsam mit Robert Havemann, dem späteren bekanntesten Dissidenten der DDR. Während Havemann in seiner Todeszelle ein illegales Radio baute und seine Mithäftlinge mit Nachrichten aus London und Moskau versorgte, genoss Honecker das Vertrauen seiner Wärter. Er wurde einem Arbeitskommando in Berlin zugeteilt, floh, versteckte sich in der Wohnung einer Wärterin, kehrte aber nach ein paar Tagen ins Gefängnis zurück. Honeckers Liebe zum Gefängnispersonal war so groß, dass er seine Aufseherin nach dem Krieg heiratete. Zum Glück für Honeckers Karriere starb Ehefrau Nr. 1 schon 1947. Er kam mit einer strengen Rüge der Partei davon. Seine nächste Gefährtin war die Jugendfunktionärin Edith Baumann, die er nach ein paar Jahren gegen die jüngere Margot Feist eintauschte.

Honeckers Wunsch war es von Anfang an, eines Tages als gleichberechtigter Staatsmann überall im Westen empfangen zu werden. Aus diesem Grund lag ihm an der Anerkennung der Evangelischen Kirche. Mit dem Vertrag, ausgehandelt übrigens vom späteren Ministerpräsidenten von Bran­den­burg Manfred Stolpe, aner­kann­ten die Lutheraner, „Kirche im Sozialismus“ zu sein, und bekamen ga-rantiert, dass in kirchlichen Räumen staatliche Organe nicht intervenieren dürfen. Diesen Freiraum nutzte die Anfang der 80er Jahre entstandene Opposition, heute Bürgerrechtsbewegung genannt.

Aus dieser Bürgerrechtsbewegung ging die Herbstrevolution 1989 hervor, die zum Sturz Honeckers führte. Als disziplinierter Kommunist stimmte er bei der Politbürositzung am 17. Oktober 1989 für seine eigene Absetzung.

Von nun an war er ein Paria, auch für die eigenen Genossen, die ihn nur noch loswerden wollten. Er musste Asyl in einem Pfarrhaus in Lobetal suchen, floh nach Moskau, wurde ausgeliefert, vor Gericht gestellt, aber wegen seiner Krankheit nicht verurteilt. Schließlich konnte er nach Chile auswandern, wo seine Tochter Sonja inzwischen lebte.

Er war zum Schluss ein tief verbitterter Mann, der unfähig war zu erkennen, wie sehr er das Land, in dem er geherrscht hatte, ruiniert hat. Honecker, dem gegen Ende seiner Laufbahn die roten Teppiche in Bonn und Paris ausgerollt worden waren, hat nie verstanden, warum er so schnell so tief fiel. Das ist die größte Tragik seines Lebens. Vera Lengsfeld


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