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25.08.12 / Nach der Schlacht war der Weg nach Moskau frei / Bei Borodino stießen vor 200 Jahren rund 130000 Mann von Napoleons Grande Armée auf ungefähr gleich viele Russen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 34-12 vom 25. August 2012

Nach der Schlacht war der Weg nach Moskau frei
Bei Borodino stießen vor 200 Jahren rund 130000 Mann von Napoleons Grande Armée auf ungefähr gleich viele Russen

Borodino ist ein russisches Dorf, zwölf Kilometer westlich der Kreisstadt Mo­shaisk und 120 Kilometer westlich von Moskau, nahe den Flussufern der Moskwa gelegen. Hier fand am 7. September 1812 eine Schlacht statt, die zwar nur wenige Stunden andauerte, aber trotzdem zu den blutigsten Schlachten im 19. Jahrhundert zählt und ein erstes Wetterleuchten zu den wenige Monate später beginnenden Befreiungskriegen gegen Napoleon darstellt. Doch das ahnte damals noch niemand in Deutschland und Russland.

Nach dem Beginn des napoleonischen Russlandfeldzuges am 24. Juni 1812 hatte der russische Befehlshaber und Kriegsminister Michael Andreas Barclay de Tolly die Weite des Landes ausgenutzt und sich planmäßig zurück-gezogen. In Armee und Öffentlichkeit wurde man jedoch ungeduldig und so ernannte Zar Alexander I. am 20. August 1812 den in vielen Türkenkriegen erprobten Michail Kutusow zum russischen Oberbefehlshaber. Damit schien sich Bonaparte nun endlich die Möglichkeit zum entscheidenden Vernichtungsschlag gegen die russische Hauptarmee zu bieten, denn wenige Tagesmärsche vor der alten russischen Hauptstadt Moskau entschloss sich Kutusow angesichts der in ihn gesetzten nationalen Erwartungen den Franzosen eine große Schlacht zu liefern.

Zu diesem Zwecke bezog die russische Hauptarmee auf der französischen Vormarschstraße von Smolensk nach Moskau eine acht Kilometer breite Stellung mit Zentrum um das Dorf Borodino. Diese Stellung wurde eiligst befestigt und viele mit großkalibrigen Kanonen bestückte Batterien wurden angelegt. Am 7. September 1812 stieß die vorrückende französische auf die russische Armee.

Beide Armeen hatten zahlenmäßig eine vergleichbare Stärke und umfassten jeweils ungefähr 130000 Mann. Doch waren die Russen an Kavallerie und Artillerie überlegen, während die russische Infanterie der französischen sowohl von der Zahl als auch an Qualität nachstand. So verfügten 10000 russische Landwehrsoldaten noch nicht einmal über Feuerwaffen, sondern hatten nur lanzenähnliche „Piken“.

Napoleon führte an jenem 7. September persönlich das Kommando und verkündete zur Ermutigung seiner multinationalen Armee im Tagesbefehl: „Soldaten! Dies ist die Schlacht, die Ihr so herbeigesehnt habt! Jetzt hängt der Sieg von euch ab! Wir brauchen ihn, denn er bringt uns Überfluss, gute Winterquartiere und baldige

Rück­kehr in die Heimat.“ Als die Sonne an jenem Morgen blutrot aufging, stellte der französische Kaiser befriedigt fest: „Das ist die Sonne von Austerlitz“ und befahl den von heftigem Artilleriefeuer begleiteten Angriff.

Doch die von ihm geplante Umfassung des schwachen russischen linken Flügels mit daran anschließendem, massiven Durchbruch durch das russische Zentrum gelang dem durch eine Erkältung gesundheitlich geschwächten Franzosenkaiser angesichts der ungeahnten Tapferkeit und Standhaftigkeit des russischen Heeres nicht. Die russischen Soldaten standen in ihren Positionen bis zum Tod und wichen nicht.

Die Schlacht artete zu einem verlustreichen frontalen Anstürmen der französischen Truppen gegen die sich hartnäckig verteidigenden Russen in ihren befestigten Stellungen im Zentrum und am rechten Flügel aus. Das kraftvolle Feuer der insgesamt 700 russischen und französischen Kanonen auf engstem Raum sorgte dafür, dass das Schlachtfeld binnen kurzem völlig von Toten und Verwundeten bedeckt war und der Kampf unübersichtlich hin und her wogte.

Dem französischen Marschall Louis-Nicolas Davout schoss man gleich zu Beginn der Schlacht das Pferd unter dem Körper weg, während der russische Befehlshaber des linken Flügels, Pjotr Iwanowitsch Bagration, kurz darauf tödlich verwundet wurde. Auf dem Schlachtfeld standen sich auf beiden Seiten zahlreiche Deutsche gegenüber. Während es sich auf russischer Seite hauptsächlich um ehemals preußische Offiziere und viele Baltendeutsche handelte, kämpften auf französischer Seite Zehntausende Rheinbundsoldaten, vor allem aus den König­reichen Sachsen, Westphalen und Bayern, sehr tapfer.

Als die Schlacht nach neun Stunden mit einem russischen Rückzug endete, bedeckte mit 58000 Mann etwa die Hälfte der russischen Armee tot oder schwerverwundet das Schlachtfeld, während die Zahl der unverwundeten russischen Gefangenen ganz gering war. Die französischen Verluste waren zwar mit 40000 bis 50000 Mann etwas geringer, doch fern der heimatlichen Versorgungsbasen unersetzbar.

In Folge der Schlacht gelang es dem Kaiser der Franzosen Moskau am 14. September zu besetzen. Doch stellte der Militärtheoretiker Carl von Clausewitz, damals russischer Offizier, bereits am 18. September klar: „Wir haben eine Schlacht verloren, aber mit Maß; unsere Kräfte ergänzen sich fast täglich, die feindlichen nicht. Schon jetzt sind wir fast überlegen …“ Am 19. Oktober 1812 musste Bonaparte Moskau räumen und auf dem Rückmarsch löste sich seine Grande Armée im beginnenden russischen Winter völlig auf. Es war der Anfang vom Ende der napoleonischen Vorherrschaft. Zu Recht stellte der sowjetische Historiker Eugen Tarle fest: „Nur wenige Schlachten der Weltgeschichte sind so reich an Verlusten, so erbittert und so folgenschwer gewesen wie die Schlacht von Borodino.“ Durch die Beschreibung im Roman „Krieg und Frieden“ von Leo Tols­toi ging die Schlacht in die Weltliteratur ein. Jürgen W. Schmidt


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