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01.09.12 / Der Traum vom Ghetto / Saudi-Arabien: Um sich frei bewegen und arbeiten zu können, fordern Frauen eine eigene Stadt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 35-12 vom 01. September 2012

Der Traum vom Ghetto
Saudi-Arabien: Um sich frei bewegen und arbeiten zu können, fordern Frauen eine eigene Stadt

Als erster Staat der Erde plant Saudi-Arabien Städte nur für Frauen, nicht nur um die Geschlechtertrennung noch intensiver zu praktizieren, sondern auch um den Anteil der berufstätigen Frauen in der Bevölkerung zu erhöhen.

Die Frauen hatten einen großen Anteil am Zustandekommen des Arabischen Frühlings. In Tunesien, Ägypten und dem Jemen waren die Frauen oft in der ersten Reihe der Demonstranten, die eine gerechtere Gesellschaft forderten. Auch wenn der Wahlsieg der Islamisten in den Ländern des Arabischen Frühlings die wenigen Errungenschaften der Frauen wieder zunichte gemacht hat, zeigt dies doch, dass mit den Frauen auch in der arabischen Welt zu rechnen ist, gerade weil die Stellung der Frau dort am prekärsten ist. Am größten ist die Diskriminierung bislang in Saudi-Arabien. Die wahhabitische Auslegung des Korans hat in Saudi-Arabien zu einer strikten durch Religion und Tradition begründeten Geschlechtertrennung geführt: Schulen und Universitäten sind ebenso nach Geschlechtern separiert wie Büros, Restaurants und Transportmittel; in öffentlichen Gebäuden gibt es verschiedene Eingänge für Frauen und Männer. Frauen dürfen im islamischen Königreich nicht Auto fahren.

Die strikte Trennung der Geschlechter hat auch wirtschaftliche Folgen, denn Frauen haben so kaum Zugang zum Arbeitsmarkt. Obwohl fast 60 Prozent der Universitätsabsolventen in Saudi-Arabien weiblich sind, machen Frauen nur 15 Prozent der berufstätigen Bevölkerung aus, weil sie gemäß den Gesetzen der Scharia nicht mit Männern zusammenarbeiten dürfen. Die wenigen berufstätigen Frauen sind in Arbeitsstätten beschäftigt, zu denen Männer keinen Zugang haben. So haben Banken eigene „Frauenfilialen“, wo Kundinnen von Frauen bedient werden, auch in Krankenhäusern dürfen Frauen nur von Frauen versorgt werden. Laut „al-Arabia-News“ sind 78 Prozent der Uni-Abgängerinnen, darunter 1000 Ärztinnen, arbeitslos. Jetzt möchte das Land Abhilfe schaffen und die Berufstätigkeitsquote von Frauen erhöhen, denn mit einer Rolle als Mutter und Hausfrau, wie sie im Koran verlangt wird, wollen sich auch in Saudi-Arabien immer weniger Frauen zufrieden geben. Wie britische Medien berichten, will Saudi-Arabien jetzt eigene Städte für Frauen errichten. Die Idee kommt nicht von Männern, sondern von einer Gruppe von Geschäftsfrauen. Als Pilotprojekt soll demnach bereits 2013 eine „Frauenstadt“ bei Hofuf im Osten des Landes gebaut werden. Die Stadt soll Arbeitsplätze für 5000 Frauen schaffen in den Branchen Textilindustrie und Pharmazie sowie in der Nahrungsmittelherstellung.

Laut Scharia sind Frauen überall einem männlichen Vormund unterstellt. Ohne diesen gesetzlichen männlichen Vormund dürfen sich Frauen nicht frei bewegen. Der Vormund ist in der Regel der Ehemann oder Vater, manchmal ein Bruder oder sogar ein Sohn. Die Erlaubnis des Vormundes muss eingeholt werden, wenn es um Heirat, Ausbildung, Reisen und auch um die Arbeit geht. Erst seit kurzem besitzen Frauen eigene Pässe, das Land darf aber ohne Genehmigung durch einen Vormund nicht verlassen werden.

Beobachter interpretierten die Maßnahme, eigene Arbeitsstädte nur für Frauen zu errichten, als Meilenstein auf dem Weg zu einer rechtlichen Aufwertung der Frauen und als Konzession an den Arabischen Frühling. Die Stadt Hofuf liegt in der Nähe des schiitischen Siedlungsgebietes um die Stadt Qatif, dem Zentrum der Schiiten im Königreich, wo es in den letzten Monaten immer wieder zu Protesten und Repressionen mit Todesopfern gekommen war. Die Arbeitsstadt Hofuf entsteht als großes Gewerbegebiet in der Nähe eines Wohnviertels. Das erleichtert den Frauen den Weg zur Arbeit. Die neue Industriestadt für Frauen bei Hofuf soll nach Berichten lokaler Zeitungen ein besonderes Trainingszentrum haben, in dem Frauen ihre Talente entwickeln und an die Arbeitswelt herangeführt werden. Damit die Privatsphäre der Frauen gemäß den Regeln des Islam gewährleistet bleibt, sollen ausschließlich Frauen die angesiedelten Unternehmen führen, betont die für die Stadtent- wicklung zuständige Behörde. Laut Berichten in arabischen Medien soll Hofuf nicht die einzige Frauen-Stadt bleiben. Es seien mindestens vier ähnliche Städte geplant. Bodo Bost


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