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01.09.12 / Lügen als Berufskrankheit

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 35-12 vom 01. September 2012

Lügen als Berufskrankheit
von Vera Lengsfeld

Die „Junge Welt“ kann es nicht lassen. Immer wieder muss sie in ihrer schicken Ladengalerie Bücher von ehemaligen Stasioffizieren vorstellen, auch wenn die so gar nichts Neues enthalten.

Diesmal war es der notorische Herr Kierstein, in seinem ersten Leben mehr als drei Jahrzehnte Vernehmer für die Stasi, hauptsächlich in der zentralen Untersuchungshaftanstalt in Berlin-Hohenschönhausen. Im zweiten Leben Möchtegern-Buchautor, meist im Autorenkollektiv, nun allein.

„Drachentöter“ heißt sein neues Elaborat. Das Cover ist entsprechend dramatisch aufgemacht mit einer Fotografie des Heiligen Georg im Kampf mit dem Ungeheuer, wie er im einst vorzugsweise von Stasileuten bewohnten Berliner Nikolaiviertel zu besichtigen ist. Zum Ärger der Genossen befindet sich seit geraumer Zeit hier auch die Gedenkbibliothek zu Ehren der Opfer des Stalinismus.

Macht sein Büchlein aus Herrn Kierstein einen tapferen Kämpfer gegen die aufgerüsteten Stasigedenkstätten? Nein, denn er ist ein Ritter von gar trauriger Gestalt, dessen Phantasie immer wieder mit ihm durchgeht. Sein Verlag versucht, ihm einige Bedeutung anzudichten. Der Autor habe sich in mehreren Gedenkstätten umgeschaut und lege nun seine Untersuchung vor. Tapfer, tapfer, wie sich der „Aufklärer“, wie er sich gern nennt, höchstpersönlich in die Drachenhöhlen wagt.

Leider stellt man beim Anschauen der von ihm präsentierten Videos fest, dass sie heimlich von Jugendlichen angefertigt wurden, weil es Herr Kierstein doch vorzog, am heimischen Schreibtisch zu verbleiben und einen dritten oder vierten Aufguss aus den früheren Machwerken von Stasiobristen zu fertigen. Auch die Videos kennt man von früheren Buchpräsentationen. Die Hoffnung von Kierstein & Co. ist offenbar, ihre Halbwahrheiten, Lügen, Verdrehungen und Unterstellungen so lange zu wiederholen, bis sie am Ende den Anschein von Wahrheit haben.

Das läuft so: Auf einem der Videos werden Besucherreferenten der Gedenkstätte Hohenschönhausen gezeigt, die im Kellergefängnis die Haftbedingungen zu Zeiten des sowjetischen Geheimdienstes NKWD beschreiben. Kierstein behauptet dann wider besseres Wissen, sie hätten von der Staatssicherheit geredet, um den Referenten Falschdarstellung vorzuwerfen.

Sein Pech: Etwa ein Drittel des Publikums bestand aus Referenten der Gedenkstätten, die ihm massiv widersprachen. Es kam zeitweise zu tumultartigen Szenen, als der Stasimann in alter Manier versuchte, seinen Kritikern über den Mund zu fahren. In ihren eigenen Räumen in die Defensive zu geraten war eine so ungewohnte Erfahrung für die alten Genossen, dass ihre Herzschrittmacher bei der Aufregung zu versagen drohten. Das war gut so.


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