19.04.2024

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01.09.12 / Wohlfeile Empörung

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 35-12 vom 01. September 2012

Wohlfeile Empörung
von Christian Rudolf

Dass die Pawlowschen Reflexe auch beim Menschen funktionieren, zeigt dieser Tage die Reaktion auf das Urteil gegen die straffällig gewordenen Mitglieder der russischen Chaos-Truppe „Pussy Riot“. Es genügt, die Stichworte „Mos­kau“, „Putin“, „Lagerhaft“, „Kirche“ sowie „Patriarch“ hier, „Frauen“ dort im Zusammenhang zu nennen, und schon schlagen die Emotionen hoch. Westliche Politiker, Medien und Vertreter der „demokratischen Zivilgesellschaft“ ergehen sich in Schelte gegen den ach so bösen russischen Staat, der einfach unschuldige junge Frauen und Mütter einsperre.

So weit, so erwartbar. Doch nachdenken und vergleichen wäre dringend angeraten. Ein Blick auf die rigiden Meinungsverhältnisse hierzulande ist mehr als aufschlussreich. Erst wenige Wochen ist es her, da wurde eine unschuldige junge Olympia-Ruderin medial zur Höchststrafe verurteilt, weil ihr Freund sich in einer Oppositionspartei engagierte, die dem Establishment nicht passt.

Die Punk-Frauen von „Pussy Riot“ sind nicht wegen Kritik an Putin verurteilt worden. Die konnte die Gruppe bei öffentlichen Auftritten in Moskau vielfach äußern und über Youtube verbreiten. Verurteilt wurden die drei wegen „Rowdytums aus religiösem Hass“. Die Frauen hatten in der wiedererrichteten Christi-Erlöserkathedrale von Moskau – ihr Vorgängerbau war von Stalin aus religiösem Hass vernichtet worden – im Altarbereich, der ausschließlich Priestern vorbehalten ist, „Scheiße, Scheiße, Gottesscheiße“ geschrien und dass der Patriarch ein „Schweinehund“ sei. Ein Videoclip dieser Schändung wurde via Internet verbreitet.

Es geht hier nicht darum, ob die Begrifflichkeit des „Rowdytums“ dehnbar ist. Auch bei uns macht sich strafbar, wer an einem für den Gottesdienst einer Religionsgemeinschaft vorgesehenen Ort „beschimpfenden Unfug verübt“ – und das mit Recht. Drei Jahre Haft drohen. Nachahmungstäter im Kölner Dom haben Anzeigen wegen Störung der Religionsausübung, Hausfriedensbruchs und Verstoßes gegen das Versammlungsrecht erhalten. Ein Blitzbesuch von Frauen im Minirock in einer Moschee, Schuhe an den Füßen und auf den Lippen Flüche gegen Mohammed? Ein Auftritt kurzgeschorener junger deutscher Männer in einer Synagoge, ohne Käppi, lauthals krakeelend, Moses möge Charlotte Knobloch vertreiben? Male sich jeder selbst die Empörung aus. Oder aber ein nächtlicher Fackelmarsch politisch missliebiger Aktionskünstler durch das Brandenburger Tor, eine nicht genehmigte Performance am Holocaustmahnmal oder in einer KZ-Gedenkstätte, gar mit „rechten Parolen“ garniert? Alle diejenigen, die nun wohlfeil das Moskauer Urteil als „unverhältnismäß hart“ kritisierten, würden mit Schaum vorm Mund eine Bestrafung nach der vollen Härte des Gesetzes fordern.


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