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01.09.12 / Große Pläne für den Königsberger Tiergarten / Direktorin Swetlana Sokolowa knüpft an Vorkriegstradition an − Stadt hilft bei der Finanzierung und Investorensuche

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 35-12 vom 01. September 2012

Große Pläne für den Königsberger Tiergarten
Direktorin Swetlana Sokolowa knüpft an Vorkriegstradition an − Stadt hilft bei der Finanzierung und Investorensuche

Königsbergs 1896 eröffneter traditionsreicher Tiergarten steht unter der Leitung von Swetlana Sokolowa, seit im vergangenen Jahr die damalige Zooleitung wegen verheerender Zustände entlassen worden ist. Die neue Direktorin erzählt im Gespräch mit PAZ-Re­dakteurin Manuela Rosenthal-Kappi, wie sie den Tiergarten wieder zu einer attraktiven Sehenswürdigkeit im heutigen Königsberg umgestalten will.

PAZ: Frau Sokolowa, welche Situation haben Sie bei Ihrem Amtsantritt als Zoodirektorin vorgefunden?

Sokolowa: Es gab eine Ausschreibung für die Stelle des Zoodirektors. Ehrlich gesagt, wollte ich mich gar nicht daran beteiligen. Am Ende überwog aber das Gefühl der sozialen Verantwortung und die Erkenntnis, dass ich zumindest versuchen könnte, die sich immer mehr zuspitzende Lage des Zoos zu verbessern. Übrigens ist mein Vertrag bis November dieses Jahres befristet. Jeder weiß, dass in dieser Zeit nicht alle Probleme gelöst werden können, die sich jahrzehntelang angehäuft haben – das wäre unrealistisch. Fünf bis zehn Jahre wären eine realistische Spanne, abhängig vom politischen Willen und der Finanzierung durch die städtische und die Gebietsregierung. Das Hauptproblem des Zoos ist die schlechte technische Ausstattung der Gebäude und Einrichtungen, die seit Jahrzehnten nicht modernisiert wurden. Insgesamt verfügt der Tierpark über zirka 80 verschiedene Gebäude, von denen 70 entweder eine Komplettsanierung oder einen Neuaufbau benötigen. Im Januar habe ich vier Zoos in Deutschland besucht: Ich glaube, dass ich viele Ideen für die Umgestaltung des Königsberger Tiergartens mitgenommen habe. Für mich ist jetzt das Wichtigste, keine Fehler zu machen. Ich hatte keine Zeit, mich in Ruhe einzuarbeiten, sondern musste von Beginn an täglich verantwortungsvolle Entscheidungen fällen. Der Gouverneur hat in diesem Jahr umgerechnet eine Million Euro zur Unterstützung des Tiergartens zur Verfügung gestellt. Diese Mittel müssen mit Verstand ausgegeben werden. Gemeinsam mit den Kollegen habe ich entschieden, dass wir uns zunächst die Objekte vornehmen, die in besonders schlechtem Zustand sind: Brücken, das Außenbecken der Robben einschließlich Reinigungsanlage und das historische Löwenhaus, das Haus für Tropenvögel sowie die Anschaffung eines geeigneten Fuhrparks und die Ausrüstung zur Pflege des Freigeheges. Zunächst müssen die Wege erneuert werden, die alten Metallzäune gegen solche ausgetauscht werden, die ich in Deutschland gesehen habe.

PAZ: Erhalten Sie Unterstützung seitens der Stadt oder von Politikern?

Sokolowa: Der Königsberger Zoo ist ein städtischer. Die laufenden Kosten werden von der Stadt getragen. Das Gesamtbudget lag im Jahr 2011 bei 2,4 Millionen Euro inklusive Steuern. Davon kamen 1,8 Millionen Euro aus dem Haushalt der Stadt, 600000 Euro waren eigene Einnahmen des Zoos, hauptsächlich Eintrittsgelder. Was die Beziehungen zur Macht angeht – sie sind sehr positiv. Sowohl Politiker der Stadt als auch der regionalen Regierung wollen die Probleme des Zoos lösen. Ich bekomme Hilfe und Unterstützung. Die Gebietsregierung hat einen Dialog mit Geschäftsleuten der Region angeschoben und ihnen eine Patenschaft für die Tiere angeboten. Dank dieser Initiative sind einige solcher Verträge zustandegekommen

PAZ: Wie geht es Ihrer Einschätzung nach den Tieren heute?

Sokolowa: Ich denke, dass es den Tieren heute nicht schlecht geht. Sie sind gut genährt. Wir haben keine Probleme mit der Beschaffung von Nahrung und Medikamenten. Das Äußere der Tiere spricht für sich: Sie sind in guter physischer Verfassung. Obwohl, ich wie­derhole, das Hauptproblem des Zoos ist die technische Ausrüstung. Viele Käfige müssten vergrößert und modernisiert werden, um nur annähernd den Minimalanforderungen der Standards zu entsprechen, die von Experten der EAZA (Europäische Assoziation für Zoos und Aquarien) aufgestellt wurden. Ebenso muss an einer modernen Art der Präsentation gearbeitet werden. Die meisten Besucher entscheiden nach dem Schema „Gefällt/Gefällt nicht“. Selbst, wenn die Tiere in gutem Zustand sind, aber Besucher die Umgebung, etwa die Bepflanzung, als unschön empfinden, werden sie sagen: „Die Tiere werden schlecht gehalten“. Deshalb ist es notwendig, eine der natürlichen Umgebung maximal angepasste Präsentation herzustellen, was sehr aufwendig ist. Das nächste Thema, das ich angehen werde, ist, den Mitarbeitern des Zoos beizubringen, die Tiere nicht nur zu füttern und zu säubern, sondern ihnen auch eine ansprechende Umgebung zu schaffen. In der Natur verbringen die Tiere einen Großteil ihrer Zeit mit der Nahrungssuche, indem sie jagen oder sich vor Feinden in Sicherheit bringen. Im Zoo haben sie dagegen viel Zeit und wenig Bewegungsfreiheit. Deshalb ist es so wichtig, die Tiere zu beschäftigen. Die Einförmigkeit der Lebensbedingungen kann selbst bei höchsten Standards in der Pflege zu Verhaltensstörungen und sogar zu Erkrankungen führen.

PAZ: Wie sehen Ihre Pläne für die nächste Zeit aus?

Sokolowa: 1. Die Preispolitik ändern. Wir haben bereits zum 1. Mai den diskriminierenden höheren Eintrittspreis für Ausländer abgeschafft. 2. Wir haben begonnen, ein Museum des Königsberger / Kaliningrader Zoos einzurichten. 3. Neben den bereits zuvor genannten Erneuerungen ist der Bau eines neuen Affenhauses in Arbeit. 4. Große Aufmerksamkeit werden wir unserer Arbeit mit Kindern widmen. Zurzeit erarbeiten Pädagogen einen interessanten Zyklus interaktiver Aufgaben, damit ein Zoobesuch für Kindergärten und Schulen zu einem unverzichtbaren Teil ihres Bildungsprogramms wird. In diesem Sommer gab es bei uns zum ersten Mal eine Ferienfreizeit für Kinder. Das wollen wir unbedingt weiterentwickeln. 5. Für mich ist es wichtig, die Personalführung zu verbessern. Die Mitarbeiter müssen sich regelmäßig weiterbilden, an Seminaren und Konferenzen teilnehmen. Eine Weiterqualifizierung ist dringend notwendig, um den Anforderungen einer zeitgemäßen Zooleitung gerecht zu werden. Ebenso wichtig ist die Partnerschaft mit anderen Tierparks wie den erwähnten deutschen. Hoffen wir, dass, wenn auch nicht sofort, der Königsberger Zoo seine ehemalige Pracht zurückgewinnt und zu einer der Sehenswürdigkeiten der Stadt wird.


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