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08.09.12 / Aus jeder Weltregion ein Exemplar / Presse- und Mediengeschichte in der Stadt Karls des Großen – »Bleiwüsten« aller Art in großem Archiv

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 36-12 vom 08. September 2012

Aus jeder Weltregion ein Exemplar
Presse- und Mediengeschichte in der Stadt Karls des Großen – »Bleiwüsten« aller Art in großem Archiv

Der Spruch „Nichts ist so alt wie eine Zeitung von gestern“ mag anderswo gelten, nicht jedoch im Internationalen Zeitungsmuseum (IMZ) in Aachen. Hier eröffnete 1886 der mit Jakob Grimm bekannte Privatgelehrte Oskar von Forckenbeck ein Museum, das bis zur Gegenwart als weltweit einmalige Institution besteht.

„Die Zeitung ist die Konserve der Zeit“, formulierte einmal Karl Kraus. Oskar von Forckenbeck (1822–1898) gab seiner Gründung eine klare Konzeption: Zeitungen sind Kulturgüter und das Pressewesen muss umfassend dokumentiert und eingehend erforscht werden. Daran hielt man sich von Anfang an: 1887 besaß das Museum 16000 Zeitungsexemplare, 1892 50000, 1898 80000, davon ein Drittel ausländische Blätter in 43 Sprachen. Heute sind es rund 200000 Exemplare, davon 180000 erschlossen und immer mehr digitalisiert. Auch die Preußische Allgemeine Zeitung ist Bestandteil der Sammlung.

Seit 1931 residiert das Museum in der Pontstraße in Aachen in einem der ältesten Häuser der Kaiserstadt Karls des Großen, im späten 15. Jahrhundert Sitz eines Metallbetriebs, später Salzfaktorei, Polizeiwache, gar Gefängnis, im 20. Jahrhundert Museum, erst für Kunst, dann für Zeitungen. Der Zweite Weltkrieg schadete dem Museum wenig, zumal die Bestände rechtzeitig ausgelagert waren.

Am 19. Oktober 1962 wurde es mit einer Gedenkfeier für Paul Julius Reuter, Gründer der Nachrichtenagentur „Reuters“, wiedereröffnet. Es setzte die alte Arbeit fort und kümmerte sich um Aufkäufe, die lange nicht getätigt werden konnten oder durften: jüdische Zeitungen, revolutionäre Blätter, Auslands- und DDR-Presse sowie historische Gazetten.

Das alles fand Zustimmung beim Publikum, aber Ablehnung bei den Bürokraten, die rapide wachsende Kosten beklagten. Ende der 90er Jahre stand das IMZ vor dem Aus: Eine einzige Dreiviertelstelle gab es noch, die laufende Arbeit erledigten selbstlose Enthusiasten aus dem IMZ-Förderkreis. Aber die Zeit wurde überstanden und die Auferstehung des IMZ mutete als modernes Märchen an.

„Fortes fortuna adjuvat“, wuss­ten die alten Römer und wissen die modernen Aachener: „Glück unterstützt die Tapferen!“ Tapfer waren die Urenkel von Carolus Magnus am 10. Dezember 2006, als sie per Bürgerentscheid das unausgegorene Projekt „Bauhaus Europa“ ablehnten, das dem historischen Katschhof zwischen Dom und Rathaus eine Glasglocke aufstülpen sollte. Zum Glück für die Tapferen wurden bewilligte Mittel zur „Route Charlemagne“ umgewidmet, dem Rundgang zu zehn historischen Plätzen der Stadt, darunter auch das IMZ. Zwei Jahre lang modernisierte man das Museum, wobei alte Zeitungsexponate (Kriegsende, Mauerbau, Mauerfall, Kennedyattentat, Mondlandung) im Magazin verschwanden – was dem Erhaltungszustand der Blätter zugute-kommt. Geblieben sind vertraute Dauerausstellungen und neue Wechselausstellungen, nun weg von der Präsentation von Zeitungen hin zum ganzheitlichen Medienbild: Zeitungen in aller Zeit, Radio in den 30er Jahren, TV in den 50ern, Internet seit dem Jahrhundertbeginn, dazu Text-, Ton- und Bildbeispiele, Exkurse über Schreib- und Lesekultur Jahrhunderte vor Christi Geburt, Bildmanipulationen und Textzensur. Dazu eine Bibliothek mit 30000 Bänden und laufend neues Material, zum Beispiel vom Auswärtigen Amt Bände russischer Blätter 1914 bis 1954.

Aachen, Sitz der berühmten Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH), hat mit dem neugestalteten IMZ ein weiteres Wissenschaftszentrum gewonnen, worüber Oberbürgermeister Marcel Philipp ins Schwärmen gerät: „Das Museum ist der große Wurf. Eine Qualität wurde erreicht, die einfach gut ist und den hohen Einsatz von Investitionen und Personal rechtfertigt. Es ist eine tolle Ergänzung zu dem, was wir in Aachen zu bieten haben, nämlich Medienkompetenz und Mediengeschichte in der Stadt Karls des Großen“.

Kurt Tucholsky, der große nachdenkliche Publizist der Weimarer Republik, prägte einmal den Satz: „Nähme man den Zeitungen den Fettdruck – um wieviel stiller wäre es auf dieser Welt!“       Wolf Oschlies

Internationales Zeitungsmuseum, Pontstraße 13, 52062 Aachen, Telefon (0241) 4324910, Geöffnet: Dienstags bis sonntags 10 bis 18 Uhr, montags geschlossen. Öffentliche Führung immer sonntags 14 bis 15 Uhr. Eintritt: 5 / 3 Euro.


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