20.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
15.09.12 / Wo man Menschen brechen wollte / Menschenrechtszentrum im Stasi-Gefängnis von Cottbus mit Biermann-Konzert eröffnet

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 37-12 vom 15. September 2012

Wo man Menschen brechen wollte
Menschenrechtszentrum im Stasi-Gefängnis von Cottbus mit Biermann-Konzert eröffnet

Der Andrang war groß. Über 350 Menschen wollten Wolf Biermanns Benefizkonzert anlässlich der Eröffnung des Menschenrechtszentrums Cottbus am 5. September miterleben. Ein sehr ungewöhnliches Projekt fand so seinen vorläufigen Höhepunkt. Die ehemaligen Häftlinge und andere Interessierte hatten sich in einem Verein zusammengefunden, um das nicht mehr genutzte Cottbusser Gefängnis zu kaufen und als Erinnerungsort der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Fünf Sonderausstellungen sollen die „Häftlingskultur“ der DDR breiten Bevölkerungskreisen sichtbar machen. Vereinsvorsitzender ist der CDU-Landtagsabgeordnete Dieter Dombrowski. Dombrowski eröffnete mit wenigen einleitenden Worten des Dankes die Veranstaltung – dann war die Bühne frei.

Nun also wurde Wolf Biermann erwartet, und er wäre nicht Biermann, wenn er nicht etwas vom Programm abgewichen wäre und viel von seinem persönlichen Erleben in der DDR bis zu seiner Ausbürgerung 1976 zum Besten gegeben hätte. Daran knüpfte dann die „Populärballade“ an. Als er sie 1965 schrieb, war Biermann gerade „frisch verboten“. Die „Stasiballade“ – Robert Havemann gewidmet – folgte. Schließlich „Brüder, ihr allein kennt mein Lied“, in der sich Biermann seinen „wahren Fans“ im Politbüro der Partei zuwandte. Die hätten ihn ja nur abhören lassen, um zeitlich noch vor der Öffentlichkeit in den Genuss seiner Lieder zu kommen, spottet der Autor und Sänger. Später habe er, so Biermann, beim Studium seiner Stasiakte noch einmal nachkontrolliert, ob der „Dienst“ den Text der Ballade auch richtig kolportiert habe. Ja, Biermann verstand es, auf skurrile Weise Heiterkeit im Saal zu erzeugen.

Zu einem anderen Lied berichtete er von einem jungen Anstreicher und Maler in Halle an der Saale, der „Biermann hat re …“ an die Wand pinselte, kurz nachdem die SED-Machthaber ihn ausgebürgert hatten. Der hätte ja auch sagen können, er hätte „Biermann hat reaktionären Unsinn verzapft“, schreiben wollen.

Aber er blieb aufrecht, was ihn drei Jahre seines Lebens im Gefängnis kostete. Hinterher war die Frau „weg“, die Kinder „weg“, seine Existenz vernichtet. Das sei der Preis gewesen, wenn man nicht hätte kriechen wollen.

Eines seiner bekannteren Lieder, „Nur wer sich ändert, bleibt sich treu“, hat nichts von seiner Aktualität eingebüßt und wurde vom Publikum mit viel Beifall aufgenommen.

Das Lied „Melancholie“ war dann die Zugabe, um die sich der Barde trotz eines zagen Versuchs auf Drängen der Zuhörer denn doch nicht drücken wollte. „Wer Hoffnung predigt, der lügt, wer Hoffnung tötet, ist ein Schweinehund“. Er sei froh darüber, dass die DDR untergegangen ist, nun hätten wir neue Probleme und nicht mehr die alten – typisch Wolf Biermann.

Gleichzeitig mit der Eröffnung des Menschenrechtszentrums wurden alle fünf Sonderausstellungen eröffnet: „Gewalt hinter Gittern. Gefangenenmisshandlungen in der DDR“, „Von Liebe und Zorn. Jung Sein in der Diktatur“, „Freiheit und Zensur – Filmschaffen in der DDR zwischen Anpassung oder Opposition“, „Eingesperrt … U-Haft bei der Staatssicherheit“ und „Einblicke in das Zuchthaus Cottbus“. Theo Maass


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabobestellen Registrieren