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15.09.12 / Deutschland unter Druck / Wieso der Jungmännerüberschuss im 19. Jahrhundert friedlich verlief

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 37-12 vom 15. September 2012

Deutschland unter Druck
Wieso der Jungmännerüberschuss im 19. Jahrhundert friedlich verlief

Skepsis an Heinsohns These kommt auf, wenn man sich die europäische und speziell die deutsche Geschichte anschaut. Wie sieht es hier mit Bruderkriegen aus? Über Jahrhunderte wuchs die Bevölkerung trotz zeitweiser Rück-schläge, wie sie beispielsweise durch die Pest verursacht wurden. Trotz des damit verbundenen hohen Bruderkriegsindexes gab es keine Bruderkriege wie in Syrien oder Algerien. Das mag aber vor allem daran liegen, dass die jungen Männer in Kriegen der Herrschenden bereits derart verheizt wurden, dass ihre Zahl auf diesem Wege abnahm und sie ihre Aggressionen in regulären Kriegsgemetzeln abbauen konnten.

Doch was war, als nach dem Sieg über Napoleon im 19. Jahrhundert die Zahl der regionalen Kriege abnahm? Zugleich stieg die Zahl der jungen Männer dramatisch an, denn die Kindersterblichkeit ging massiv zurück. Bessere hygienische Bedingungen, eine allgemein bessere Ernährungslage in der Bevölkerung und das Entstehen einer medizinischen Versorgung in Form vor allem von Krankenhäusern sorgten dafür, dass immer mehr der durchschnittlich sechs bis sieben Kinder, die pro Frau geboren wurden, überlebten. Soll noch im Mittelalter jedes zweite Kind nicht das 14. Lebensjahr erreicht haben, starben 1870 in Deutschland nur noch 250 von 1000 lebendgeborenen Kindern innerhalb der ersten fünf Lebensjahre. (Heute liegt die Kindersterblichkeit übrigens bei knapp drei von 1000.) Wieso gingen diese vielen Kinder, kaum zum Mannesalter gereift, sich trotz hohen Bruderkriegsindexes nicht gegenseitig an die Gurgel?

Ohne an dieser Stelle gleich eine fundierte historische Analyse liefern zu wollen, gibt es doch gleich drei Aspekte, die dafür sorgten, dass der Jungmännerzorn nicht überzukochen begann. Ein Grund dafür dürfte sein, dass die Zeit in Europa noch genügend Kriege parat hielt. Hier sind für Deutschland vor allem der Deutsch-Dänische Krieg 1864, der Krieg zwischen Preußen und Österreich 1866 und der Deutsch-Französische Krieg 1870/1871 von Interesse. Aber auch fernab der Heimat konnte oder musste so mancher Europäer in Kolonialkriegen oder im US-Bürgerkrieg sein Mütchen kühlen. Außerdem geht es beim Bruderkriegsindex auch immer um die Frage, ob sich den jungen Männern eine Perspektive eröffnet und diese boten damals die Industrialisierung, aber auch die Möglichkeit zur Auswanderung.

Mit der Industrialisierung erhielten vor allem die überzähligen jungen Männer vom Land in den Städten Arbeit. Hier tobte das Leben auch noch nach Zwölf-Stunden-Schichten in der Fabrik. Wer nach der schweren Arbeit also noch Energie hatte, konnte diese in der Kneipe und auch anderswo freisetzen. Und wer statt schwerer Arbeit in düsterer Manufaktur lieber auf Goldsuche gehen oder Cowboy werden wollte, der konnte von Hamburg oder Bremerhaven aus über den Ozean in die neue Welt fahren, was allein im 19. Jahrhundert mehrere Millionen Deutsche auch taten. Bel


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