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15.09.12 / Wer zahlt denn die Zeche?

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 37-12 vom 15. September 2012

Wer zahlt denn die Zeche?
von Ulrich Sackstedt

Rechnung für Europa: Zehn Männer – ein Grieche, ein Italiener, ein Franzose, ein Portugiese, ein Spanier, ein Zypriot, ein Finne, ein Österreicher, ein Holländer und ein Deutscher – treffen sich regelmäßig zum Essen. So war es auch wieder in der letzten Woche. Die Rechnung für alle zusammen betrug genau 500 Euro, denn man speiste schon sehr gern auf hohem Niveau. Die Gäste zahlten ihre Rechnung wie wir unsere Steuern und das sah ungefähr so aus: Vier Gäste (der Grieche, der Portugiese, der Spanier und der Italiener) zahlten nichts. Der Zypriot zahlte einen Euro, der Franzose fünf, der Österreicher 50, der Finne 80, der Holländer 100 Euro. Der Zehnte (der Deutsche) zahlte 264 Euro. Das ging schon eine ganze Weile. Immer wieder trafen sie sich zum Essen und alle waren zufrieden. Bis der Wirt Unruhe in das Arrangement brachte, indem er vorschlug, den Preis für das Essen um 50 Euro zu reduzieren. „Weil Sie alle so gute Gäste sind!“

Jetzt kostete das Essen für die Zehn nur noch 450 Euro, aber die Gruppe wollte beibehalten, so zu bezahlen, wie das bisher üblich war. Dabei änderte sich für die ersten vier nichts, sie aßen weiterhin kostenlos. Wie sah es aber mit den restlichen sechs aus? Wie konnten sie die 50 Euro Ersparnis so aufteilen, dass jeder etwas davon hatte? Die sechs stellten schnell fest, dass 50 Euro geteilt durch sechs Zahler 8,33 Euro ergibt. Aber wenn sie das von den einzelnen Teilen abziehen würden, bekämen der fünfte und der sechste Gast noch Geld dafür, dass sie überhaupt zum Essen gehen. Also schlug der Wirt den Gästen vor, dass jeder ungefähr prozentual so viel weniger zahlen sollte wie er insgesamt beisteuere. Er setzte sich also hin und begann das für seine Gäste auszurechnen. Heraus kam folgendes: Der Zypriot, ebenso wie die ersten vier, zahlte ab sofort nichts mehr (100 Prozent Ersparnis). Der Franzose zahlte drei Euro statt fünf Euro (40 Prozent Ersparnis), der Österreicher 45 statt 50 (zehn Prozent Ersparnis), der Finne 72 statt 80 (zehn Prozent Ersparnis), der Holländer zahlte 90 statt 100 (zehn Prozent Ersparnis), und der Deutsche zahlte 239 Euro statt 264 (elf Prozent Ersparnis). Jeder der sechs kam bei dieser Lösung günstiger weg als vorher und die ersten vier aßen immer noch kostenlos.

Aber als sie vor der Wirtschaft noch mal nachrechneten, war das alles doch nicht so ideal wie sie dachten. „Ich hab’ nur zwei Euro von den 50 Euro bekommen“, sagte der Franzose und zeigte auf den Deutschen, „aber er kriegt 25 Euro!“ „Stimmt“, rief der Zypriot, „ich hab’ nur einen Euro gespart und er spart mehr als 20-mal so viel wie ich“. „Wie wahr“,rief der Österreicher, „warum kriegt er 25 Euro zurück und ich nur fünf? Alles kriegen mal wieder die reichen Deutschen!“ „Moment mal“, riefen da der Grieche, der Portugiese, der Spanier und der Italiener, „wir haben nichts bekommen. Das System beutet die Ärmsten aus!“ Und wie aus heiterem Himmel gingen die neun auf den Deutschen los und verprügelten ihn.

Am nächsten Abend tauchte der Deutsche nicht zum Essen auf. Also setzten sich die übrigen neun zusammen und aßen ohne ihn. Aber als es an der Zeit war, die Rechnung zu bezahlen, stellten sie etwas Außerordentliches fest: Alle zusammen hatten nicht genügend Geld, um auch nur die Hälfte der Rechnung bezahlen zu können.


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